Brennpunkte

Der Glaube und seine Rolle in den USA

Die Vereinigten Staaten sind ein Land der Vielfalt, auch was Überzeugungen angeht. Überzeugt sind viele Amerikaner vor allem von ihrem festen Glauben. Betrachtet man die große Anzahl der Religionen und deren unterschiedliche Ausprägungen kann man in den USA jedoch schnell den Überblick verlieren.


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“Pew” neun von zehn Bürgern an Gott. Das ist beachtlich und lässt keinen Zweifel mehr an der These, dass die Religion in keiner anderen westlichen Gesellschaft eine so große Rolle spielt wie in den Vereinigten Staaten. Vor allem in politischer Hinsicht legen die Amerikaner großen Wert auf Religiosität: Schriftsteller Matthias Rüb schreibt 2008 in seinem Roman „Gott regiert Amerika”, dass fast sechzig Prozent der Amerikaner es als wichtig empfinden, dass ihr Präsident an Gott glaubt und tief religiös ist.

Doch woher kommt dieser tief verwurzelte Glauben und die Verbindung von Religion und Politik? Einen simplen Grund gibt es sicher nicht. Man kann nur mutmaßen. So könnte ein Grund mit Sicherheit in der historischen Zuwanderung der USA liegen. Die USA wurden zu einem großen Teil von religiös Verfolgten aus Europa gegründet, was keine unwesentliche Rolle in der Einstellung zu Religiosität in den USA spielt. Die Religionsvielfalt der Einwanderer, mit der dieses große Land konfrontiert wird, lässt eventuell einige Religionen gegenüber anderen stärker werden. Und das ist ganz logisch, denn jede Religion möchte auch immer möglichst viele Menschen missionieren.

44 Prozentkonvertieren einmal im Leben
Nun ist in den USA das Angebot an christlichen Kirchen, Moscheen und anderen Glaubenshäusern so groß, dass die vielen Missionsarbeiter es immer schwerer haben, Menschen für ihre Religion zu begeistern. Trotzdem scheinen sie durchaus erfolgreich zu sein: Diese Variation auf dem Glaubensmarkt führt dazu, dass 44 Prozent der Amerikaner ihren Glauben wenigstens einmal im Leben wechseln. Der dadurch hervorgerufene religionstheologische Pluralismus, der durchaus auch andere Glaubensformen akzeptiert, mag der Grund dafür sein, weshalb in den USA eine stärkere Abgrenzung zu anderen Religionen notwendig ist.

Nicht zuletzt greift hier auch das Argument, dass die Menschen in den USA Patrioten “aus Fleisch und Blut” sind. Schaut man sich nur die rot-weiß-blauen Flaggen an, die viele Amerikaner an ihren Haustüren anbringen, so kann man schon am Straßenschmuck erkennen, in welchem Land man sich befindet. An fast allen High Schools und Colleges gibt es Maskottchen und Slogans, die den Stolz der Amerikaner für bestimmte Orte oder Institutionen ausdrücken. Ebenso verhält es sich mit dem Glauben: Tritt ein Amerikaner einer Glaubensgemeinschaft bei, steht er voll und ganz zu dieser und ist einhundert Prozent überzeugt – eine Frage der Mentalität. In der deutschen Einstellung zu Religion sieht das in der Regel anders aus.

Die USA haben eine christlich geprägte Zivilreligion
Dabei gibt es keinen Religionsunterricht in staatlichen Schulen der USA. Keine staatliche Unterstützung, geschweige denn Steuereinzug für Kirchen oder religiöse Privatschulen. Weihnachten stellt den einzigen staatlichen Feiertag dar, der christlichen Ursprungs ist. Umgekehrt ist der Alltag der Amerikaner von einer sogenannten christlich orientierten Zivilreligion geprägt. Diese erkennt man in der Öffentlichkeit sehr schnell, wenn man zum Beispiel nur auf die Geldscheine achtet, auf denen geschrieben steht: „In God We Trust”.

Und doch gibt es einige Zweifel an der Glaubensfestigkeit der USA. Vor allem aus aktuellem Anlass fragt man sich: Wie ernst meinen es die Amerikaner mit ihrem Glauben? Sicherlich sind christliche Werte für die USA kein Fremdwort, doch haben sich die feiernden Menschen am Ground Zero am Tag von Osama bin Ladens Ermordung wohl eher keine Gedanken über die Grundsätze der Bibel gemacht. Selbst im ärgsten Feind noch einen Menschen zu sehen? Das können und wollen sie nicht.

Mehr denn je fragte sich die Welt wahrscheinlich: Wie halten es die Amerikaner nun mit dem Glauben? Diese exzessiven Jubelschreibe, die Partystimmung und ausgelassene Freude über den Tod eines Menschen. Kann das christlich sein? Auch kann der American Dream mit christlichen Grundsätzen kollidieren. Demzufolge ist alles möglich und jeder erschafft sich selbst ein schönes Leben. Doch geht es hier nicht zu sehr um das Wohl des Einzelnen? Was ist mit der Gemeinschaft und Solidarität, die in vielen Glaubensrichtungen zu den obersten Grundsätzen zählen?

So sind die USA eben: gegensätzlich in jeder Hinsicht. Die Widersprüche finden sich überall wieder. Steht der eher konservative Glaube nicht auch ein wenig der modernen Hightech-Industrie der USA gegenüber? Fraglich ist nur, ob es bei uns in Deutschland besser ist. Denn hier ist Glaube etwas Privates, über das man selten oder gar nicht spricht. Aber schließlich ist nur eines wichtig. Nämlich, dass das, was man glaubt, einen erfüllt und, dass man andere Menschen und sich selbst damit glücklich macht und letztlich die Konsequenzen seines Glaubens mit sich und der Welt vereinbaren kann.

(Text: Martina Gewehr)

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