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Der gescheiterte Staat

Hunger, Elend, Tote: Somalia ist durch seine geografische Lage am stärksten von der Hungersnot in Afrika betroffen. Europäische Organisationen versuchen humanitäre Hilfe zu leisten, scheitern aber größtenteils an der inneren Zerissenheit des Landes. Die politische Führung der Milizen hat wenig Interesse an einem versorgten Volk.

 


Somalia ist seit 1960 unabhängig. Es wurde aus den Kolonialgebieten Britisch- und Italienischsomaliland zusammengeschlossen. Seit 1991 befindet sich das Land dauerhaft im Bürgerkrieg. Die innerpolitischen Verhältnisse sind seit zwei Jahrzehnten mehr als problematisch.

Denn: Im Grunde genommen hat Somalia keine Regierung. Es gibt eine international anerkannte Übergangsregierung mit Sharif Sheikh Ahmed als Präsidenten, welche aber nur einen kleinen Teil Somalias kontrolliert. Außerdem beanspruchen mehrere Teilstaaten als „De-facto-Regimes” ihre Autonomie als Teilstaaten. Der Rest liegt entweder in der Hand von Milizenführern, lokalen Clans oder Warlords. Völkerrechtlich gesehen ist streitbar, ob das Gebiet Somalia überhaupt als Staat bezeichnet werden kann.
Laut der allgemein anerkannten „Drei-Elemente-Lehre” von Georg Jellinek, gibt es drei Kriterien, die einen Staat im Sinne des Völkerrechts definieren müsste: das Staatsvolk, das Staatsgebiet sowie eine Staatsgewalt. Das Gewaltmonopol liegt im Fall von Somalia nicht bei der Regierung sondern bei radkial-islamischen Gruppierungen.

Eine dieser Gruppierungen ist die „Union islamischer Gerichte”, die 2006 weite Landesteile von dort herrschenden Warlords eroberte und die Landshauptstadt Mogadishu einnahm. Unter ihrer Herrschaft gab es in der Stadt keine Waffengewalt mehr. Die „Union islamischer Gerichte” ist die Dachorganisation unabhängiger islamischer Gerichte in Somalia. Während des Bürgerkriegs wurde sie von Vertretern der islamisch orientierten Oberschicht gegründet: Geschäftsleute, Geistliche, Milizenchefs, Bürgermeister und Rechtsgelehrte.
Die Gerichte sollten ein allgemeingültiges Rechtssystem mit der Schari’a als Basis durchsetzen und somit Clanfehden und Gewalt eindämmen. Da die Gerichtshöfe auch Polizeiaufgaben übernahmen und sich für medizinische Versorgung und Bildung einsetzten, war die Union in der Bevölkerung weitgehend akzeptiert. Trotzdem machte sie mit ihren Milizen territoriale Ansprüche geltend und stemmte sich gegen die Übergangsregierung. Von diesem Vormarsch fühlte sich Äthiopien bedroht und erklärte der Union am 24. Dezember 2006 offiziell den Krieg. Binnen weniger Tage wurde die Union aus Mogadishu verdrängt. Bis 2009 versuchte das äthiopische Militär die Übergangsregierung im Land zu etablieren – trotz brutaler Vorgehensweise gegen die Zivilbevölkerung weitgehend erfolglos.

Die Geburtsstunde der Miliz “al-Shabaab”

Aus einem radikalen und militanten Flügel der „Union islamischer Gerichte” ging die 1998 gegründete Miliz „Harakat al-Shabaab al-Mujahideen (HSM)”, besser bekannt unter der Kurzform „al-Shabaab”, hervor. Sie bekämpft seit jeher äthiopische Truppen sowie die Übergangsregierung. Das Ziel der Organisation ist es, einen islamischen Staat am Horn von Afrika zu errichten, der eine strenge Auslegung der Schari’a durchsetzt und sich am weltweiten Dschihad beteiligt. Anhänger dieser gut ausgerüsteten Truppe, waren anfangs vorwiegend junge Menschen. Ihr Anführer Aden Hashi Ayro soll in einem Ausbildungslager von al-Qaida in Afghanistan ausgebildet worden sein.

Ayro wurde 2008 bei einem Luftangriff der USA getötet, nachdem die US-Regierung „al-Shabaab” im März 2008 auf ihre Liste der terroristischen Organisationen gesetzt hat. Umfasste die Miliz anfangs noch rund 400 bewaffnete Kämpfer, gab es 2008 schon hunderte Zellen mit insgesamt rund 7000 Mitgliedern. Ihre Hauptaufgabe ist der bewaffnete Kampf und das Töten von politischen Führungspersonen durch Selbstmordattentate. Außerdem werden sie für die Bombenanschläge in Uganda während der Fußballweltmeisterschaft 2010, das versuchte Mordattentat auf den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard und diverse Kriegsverbrechen in Somalia verantwortlich gemacht.

Ende Juli 2011 gelang es der Friedenstruppe der Afrikanischen Union „Amisom” (African Union Mission to Somalia) „al-Shabaab” aus Mogadishu zu verdrängen. Diese hatten monatelang Hilfstransporte aus dem Westen für die Opfer der Hungersnot blockiert. Trotzdem sind alle Beteiligten vorsichtig mit Triumphäußerungen. Der UN-Sonderbeauftragte für Somalia, Augustine Mahiga sagte: „Ich bin sehr erfreut über die Fortschritte, die in den letzten Tagen bezüglich der Sicherheitslage in Mogadischu erzielt wurden. Entscheidend ist jetzt vor allem, sich auf die humanitäre Versorgung zu konzentrieren.” Der Präsident der Übergangsregierung ließ wärenddessen verlauten, dass es sich auch um eine Falle von „al-Shabaab” handeln könnte.

Diese ganzen komplizierten Verstrickungen machen deutlich, dass Somalia an erster Stelle ein politisches Problem hat und kein humanitäres. Ob sich dieses in Zukunft lösen lässt, bleibt bei der Vergangenheit des Landes und der instabilen gegenwärtigen Regierung äußerst fraglich und bedarf höchster diplomatischer Handlungen.

(Text: Lea Kramer)

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