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Da seh ich schwarz – oder doch orange!?

Anfang diesen Jahres stand fest: Bis Mitte Juli bin ich für ein Erasmus-Studium in den Niederlanden. Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss: „Super, dann erlebe ich noch einen Teil des Sommers dort!” Der zweite drückte schon etwas die Laune: „Oh nein – dann bin ich ja während der WM nicht in Deutschland!” Und erst im letzten Schritt wurde mir bewusst: „Ich bin während der WM in den Niederlanden! Na, das kann ja was werden!!” Und jetzt bin ich mittendrin und kann sagen: Das ist wirklich ein Erlebnis der besonderen Art!
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Zunächst einmal war ich fasziniert! Fasziniert von den vielen orangenen Fahnen und Wimpeln, mit denen die Bewohner von Utrecht ihre Häuser und ganze Straßenzüge während dieses Turniers schmücken. Da steht eine ganze Nation voller Stolz zu seinen Farben und hat keine Hemmungen, diese auch zu zeigen.
fussballWas für eine schöne Tradition – und das schon Wochen vor dem Anpfiff. Eine ganze Stadt voller Vorfreude auf das schönste Spiel der Welt – da habe ich mich doch tatsächlich ein wenig heimisch gefühlt. Zumindest bis zu den ersten Spielen. Dann wechselte sich meine Stimmung ein klein wenig.

Zunächst einmal stand die Frage im Vordergrund, wo ich die Spiele der deutschen Mannschaft anschauen sollte. Nicht zu viele Niederländer sollten da sein, ein paar deutsche Fans wären auch nicht schlecht und eine große Leinwand natürlich ein absolutes Muss. Und so machte ich mich mit einem heißen Tipp auf dem Weg zu einem angeblich deutschen Café.

Der Name „D-Base” stimmte mich zuversichtlich. Ich erwartete viele Deutsche, die sich in gemütlicher Atmosphäre zusammen das Spiel anschauen würden. Als ich kurz vor Spielbeginn bei der Adresse ankam, betrat ich ein heruntergekommenes Fabrikgebäude mit großem Café-Raum und einer Leinwand in einem extra Raucherzimmer, auf dem gerade eine BMX-Challenge gezeigt wurde.

Nach anfänglicher Verwirrung wurde das Programm gewechselt und mein erstes WM-Spiel auf holländischem Boden konnte beginnen. Ich war zunächst der einzige Gast, der sich überhaupt für das Spiel interessierte. Doch mit der Zeit bekam ich Gesellschaft und die Niederländer zeigten sich ganz erstaunt über das Können der deutschen Elf. Ich ging mit einem positiven Eindruck nach Hause und freute mich auf die weiteren Wettstreits in so angenehmer Gesellschaft.

Doch leider blieb es nicht bei diesem friedlichen Miteinander und bei den nächsten beiden Spielen – die ich in der gleichen Location ansah – durfte ich mir allerlei Spot anhören und ertrug es wahlweise mit Würde oder störrischer Ruhe. Die aber musste ich erst mal bewahren, als ein ganzer Raum nach 75 Minuten neutraler Haltung plötzlich der gegnerischen Mannschaft Ghana zujubelte und auf ein Ausgleichstor hoffte. In der Hoffnung, mich damit aus der Fassung zu bringen.

Die hätten vorher mal wissen sollen, dass ich bei „Wer lacht zuerst”-Spielchen nicht so leicht zu schlagen bin. Mit einem Rivalen Fußball zu schauen macht also doch nicht so viel Spaß!! Bei Niederlagen und schlechten Spielen braucht man eben doch jemanden an seiner Seite, der das gleiche mitmacht.

Aus diesem Grund fiel es mir auch schwer, meine anfängliche Vorfreude, auch Holland bei der WM zuzujubeln, aufrechtzuerhalten. Aber sich der Begeisterung der Holländer zu entziehen, war noch schwieriger. Also stand auch ich mit orangenem Shirt in einer der vielen Bars in Utrecht. Eingequetscht zwischen großen Männern und bunt geschmückten Frauen mit allerlei orangenen Accessoires, die in Begeisterungsstürme ausbrachen, wenn der Ball während des Spiels über die Mittellinie gelangte.

Die Mischung aus Lautstärke, guter Laune, Energie und einem viel zu kleinen Raum mit viel zu vielen Menschen vor mindestens fünf verteilten kleinen Fernsehern (von einer Großbildleinwand haben hier anscheinend noch nicht alle gehört) ist das Rezept, mit dem die Holländer ihre Zeit bei der WM feiern.

Wie lange diese Zeit noch dauert, weiß natürlich keiner. Ich hoffe, dass das Team der „Oranje” sich spielerisch noch steigert und es mindestens ins Halbfinale schafft. Denn feiern können die Niederländer (un)verdiente Siege und es macht Spaß, sich mit ihnen zu freuen.

Viele hier hoffen auf ein Finale gegen Deutschland. Und ich hätte auch nichts dagegen. Allerdings weiß ich dann schon sicher, dass mein orangenes Trikot an diesem Tag im Schrank bleibt und ich mich nicht in den Niederlanden aufhalten werde. Denn mein Herz ist nun mal Schwarz-Rot-Gold und auch wenn ich an diesem Tag schwarz sehen werde, sind es ganz sicher nur die Spieler meiner Mannschaft, die sich auf dem Spielfeld über mindestens einen Treffer mehr als die Holländer freuen werden.

(Text und Foto: Stefanie Hund)

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