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Burn-Out-Studenten

Die modernen Studierenden können nicht mehr entspannt durch ihr Studium gehen. Von Studiengebühren und der Anwesenheitspflicht eingeengt geht es vielen auch psychisch immer schlechter. Die Nachteile des Studentenlebens hat Regina G. Gruse untersucht.

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Es ist acht Uhr morgens und Sandra G.* (20 Jahre, Medienwirtschaft und Journalismus) sitzt müde in ihrer Soziologie-Vorlesung. Ihren Kopf stützt sie mühsam mit beiden Händen. Immer wieder fallen ihr die Augen zu. Auch der dampfende Becher Kaffee vor ihr kann sie nicht wach halten. Sandra geht gerne zu ihren Vorlesungen, doch im ersten Block des Tages fällt ihr das Wachbleiben schwer. Und das nicht, weil sie durchgefeiert, sondern weil sie die ganze Nacht gelernt hat.

Sandra ist nur eine von vielen Studenten, die von den Anforderungen des Studiums schier erdrückt werden. Der moderne Student muss dauerhaft Leistung bringen, um in der Regelstudienzeit fertig zu werden und nicht als „Bummelstudent” abgestempelt zu werden. In den Semesterferien werden Praktika gemacht und statt Urlaub gibt es ein Auslandssemester. Das Gefühl, den Anschluss zu verlieren, sobald sie eine Pause machen, setzt die Studenten mehr und mehr unter einen starken Leistungsdruck.

Eine Studie der Techniker Krankenkasse hat ergeben, dass fast die Hälfte der befragten 506 Studenten im letzten Jahr unter Konzentrationsstörungen litt. Mehr als ein Viertel gab außerdem Kopfschmerzen und Schlafstörungen an. Als Ursache für das mangelnde Wohlbefinden nannten 46 Prozent der Befragten den Zeitstress und die Hektik in der Hochschule. Auch ein hoher Konkurrenzdruck zwischen den Studenten wurde von 15 Prozent angegeben. Statt sich zu helfen, arbeiten die Kommilitonen gegeneinander. Wer nicht schnell genug einen Vortrag anmeldet, muss eben nehmen, was übrig bleibt. Von gegenseitiger Unterstützung findet sich dann keine Spur.

Die von den befragten Studenten genannten Stress-Symptome sind erste Anzeichen eines „Burn-Outs”. Dieser ausgebrannte Zustand der geistigen, körperlichen und seelischen Erschöpfung war lange als eine Art „Managerkrankheit” bekannt. Mittlerweile hat er sich jedoch zu einer Volkskrankheit entwickelt, die selbst vor den einst als so entspannt geltenden Studenten keinen Halt macht. Und die Situation der Studierenden spitzt sich immer mehr zu. In den psychosozialen Beratungsstellen der deutschen Universitäten gab es 2008 bereits 20 Prozent mehr Beratungen als im Vorjahr.

Es zeigt sich vor allem, dass die Situation der Studenten durch die Einführung der Studienbeiträge und die Umstellung auf das Bachelor- und Mastersystem angespannter geworden ist. Viele Studierende müssen arbeiten, um den Lebensunterhalt und die Studiengebühren finanzieren zu können. Die 19. Sozialerhebung des Hochschul-Informations-Systems ergab, dass in den Ländern mit allgemeinen Studiengebühren (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland) im Sommersemester 2009 (mit Mehrfachnennung)  insgesamt 30 Prozent der Studierenden die Studiengebühren durch eigenen Verdienst und 24 Prozent durch eigene Ersparnisse finanzierten.

Die Studie ergab außerdem, dass mehr als die Hälfte der befragten Studenten die zeitliche Inanspruchnahme durch das Studium als zu hoch erachten. Die Studenten arbeiten durchschnittlich 47 Stunden in der Woche für das Studium. Und dazu kommt auch noch die Zeit für Nebenjobs. Phasen der inneren Ruhe und Gelassenheit gibt es dabei kaum noch. Von den entspannten Studenten, die erst zur Mittagszeit aufstehen, ist keine Spur mehr. Was das langfristig bedeutet, kann nur erahnt werden, aber Burn-Outs bereits vor dem Berufseinstieg sind eindeutig Probleme, die stärkere Beachtung finden müssen.

*Name von der Redaktion geändert

(Text: Regina G. Gruse)

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