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Bachelor – und dann?

Ruck zuck sind sechs Semester vorbei und der Bachelor ist in der Tasche. Spätestens jetzt muss eine Entscheidung getroffen werden, wie es beruflich weitergehen soll. Viele der frisch gebackenen Bachelorabsolventen sind rat- und vor allem orientierungslos. Von Zweifeln und Ängsten auf der einen und der Qual der Wahl auf der anderen Seite.
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Wer heute im Bachelorsystem studiert, beherrscht meist das Zeitmanagement. Der Druck ist groß und, wer in der Regelstudienzeit fertig werden will, muss gut organisiert sein, um die Module rechtzeitig abzuarbeiten. Neben den Klausuren, Hausarbeiten, Seminaren und Präsentationen, muss da nicht selten noch ein Nebenjob abgearbeitet und natürlich auch – wie es sich für die Studienzeit gehört – Party gemacht werden.

Da kommt es schon vor, dass die Studenten sowohl unter dem Semester als auch in den Semesterferien so beschäftigt sind, dass sie die Zeit nach dem Studium einfach ausblenden. Und dann steht für viele plötzlich, als hätte man es nicht drei Jahre lang gewusst, der Abschluss an.Mit dem Abschluss kommen den Absolventen die Fragen in den Sinn: Wie geht es weiter? Berufseinstieg? Weiter studieren? Vielleicht sogar danach noch Promovieren?

Mit jeder Option kommen mehr und mehr Fragen. Weil es keine Erfahrung mit Bachelorabsolventen gibt, sind die Studierenden verunsichert. Einige geben offen zu, dass sie nicht fertig werden wollen, einfach weil sie nicht wissen, wie es danach weitergeht. Bachelorabsolventen sind deutlich jünger, als die nach dem alten System studierenden Magister- und Diplomabsolventen. Das ist zwar an sich sehr gut, hinkte Deutschland im europäischen Vergleich hier doch lange hinterher – doch die Absolventen sind nicht nur jünger, sondern haben auch weniger Lebenserfahrung und Firmen ziehen immer noch ältere,  aber in sich selbst gefestigte Diplomabsolventen vor.

Der frühe Einstieg in den Beruf
Wer sich nach dem Bachelorstudium für den Berufseinstieg entscheidet, hat es also nicht immer leicht. In vielen Branchen konkurrieren sie mit den letzten Diplom- und Magisterabsolventen, wobei sie häufig das Nachsehen haben. In manchen Fächern ist die Frage, wie berufsqualifizierend der Bachelor ist, durchaus berechtigt. Absolventen des Bachelors Architektur sind beispielsweise keine Architekten. Trotz erfolgreichen Abschlusses sind sie nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung zu führen. Eine EU-Richtlinie fordert dafür ein Studium mit einer Dauer von mindestens acht Semestern. Ein Bachelor in Architektur ist quasi wertlos. Doch auch in etlichen anderen Stellenausschreibungen ist die Mindestanforderung ein Masterabschluss. Selbst, wer Beamter werden möchte, muss, um im höheren Dienst arbeiten zu können, einen Master in der Tasche haben. Der Bachelor alleine ist nicht ausreichend.

Wer noch nicht in die Praxis gehen, sondern weiter wissenschaftlich arbeiten will, der bewirbt sich auf einen Masterplatz. Doch auch hier türmt sich ein Berg voller Fragen. Lohnt es sich überhaupt noch weiter zu studieren, den ganzen Prüfungsstress noch einmal mitzumachen? Und viel wichtiger: Ist die Bachelornote überhaupt gut genug, um einen Masterplatz ergattern zu können? Denn die Masterplätze sind begrenzt, nicht zuletzt deshalb ist der Druck im Bachelorstudium bereits so groß.

An manchen Universitäten, wie etwa der Humboldt Universität in Berlin, ist es durchaus keine Seltenheit, dass Bewerber mit einer Bachelornote von 2,2 – also einem „guten” Abschluss – abgelehnt werden. 2010 bewarben sich hier etwa 5500 Studenten auf 1800 Masterplätze. Hat man einen Bachelor, der gut genug ist, stellt sich die Frage welcher Masterstudiengang es nun sein soll. Einen  Master im exakt gleichen Fach, vielleicht sogar an der gleichen Universität? Oder doch etwas anderes? Vielleicht spezieller oder doch generalisierter? Konsekutiv, oder nicht konsekutiv? Oder den Master im Ausland machen?

Bekannte Problemstellungen
Irgendwie steht man wieder am gleichen Punkt wie nach dem Abitur. Die einen finden das belastend, die anderen sind froh, dass ihnen so die Möglichkeit gegeben wird, sich noch einmal umzuorientieren, zu spezialisieren und bei Bedarf eine neue Stadt kennenzulernen.  Schließlich zählen Studenten heute zu den modernen Nomaden. Nach dem Abitur ein Jahr in Afrika, Asien oder Lateinamerika, dann zum Studium in eine neue Stadt, zwischendurch noch einmal zum ERASMUS-Semester ins Ausland, noch einmal ein Semester zurück an die alte Universität, zum Master wieder in eine neue Stadt und nach dem Master dann vielleicht wieder in einer anderen Stadt einen Job suchen – zumindest bei international ausgerichteten Studiengängen ist das eher die Regel als die Ausnahme.

Studierende von heute haben viele Freiheiten und Möglichkeiten. Sie sind flexibel wie nie zuvor. Einerseits können sie dafür dankbar sein, andererseits ist es gerade die Fülle an Möglichkeiten, die viele überfordert und ihnen das Gefühl gibt, nicht mehr zu wissen, wohin sie gehören und wohin sie wollen. Doch wer nicht weiß, wie es nach dem Bachelor weitergehen soll, steht nicht alleine da. Schon zu wissen, dass es vielen Kommilitonen nicht anders geht und mit ihnen darüber zu sprechen, beruhigt. Und bei manchen solcher Gespräche kommen die besten Ideen, wie man weitermachen sollte. Zudem gibt es an den Hochschulen stets Beratungsstellen.
Wer nicht sicher ist, ob er mit den Jobmöglichkeiten, die ihm der absolvierte Bachelorstudiengang bietet, glücklich wird, sollte sich einen bestimmten Zeitraum geben und etwas auszuprobieren, was man sich nach dem Abitur nicht getraut hat. Etwa, weil die Jobaussichten in diesem Interessengebiet angeblich aussichtslos wären. Wir Deutschen sind sehr sicherheitsorientiert und vernachlässigen dabei oft unsere eigentlichen Interessen und Talente.

Nach dem Bachelor hat man einen akademischen Abschluss, also eine Sicherheit, die einem niemand mehr nehmen kann. Dank des neuen Systems ist man nach dem Abschluss, mit Anfang 20, immer noch jung genug, um zum Beispiel ein Jahr lang seinen Talenten, die das Studium nicht abgedeckte, nachzugehen und zu versuchen, in diesem Bereich Etwas zu erreichen. Denn nur,  was man wirklich gerne macht, macht man richtig gut. Und vor allem wird man damit glücklicher, als  mit einem Job, der einem vielleicht doch nicht zusagt. Sollte man dann merken, dass das Talent doch nicht so groß ist oder sich mit dem, was man richtig gerne macht, wirklich kein Geld verdienen lässt, sollte immer noch genügend Zeit sein, den Master zu absolvieren.

(Text: Eva-Maria Steger)

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