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Aufklärung sieht anders aus

Für die NPD war der September 2006 ungewöhnlich. Als sie mit 7,3 Prozent und sechs Sitzen in den Schweriner Landtag einzog, gab es eine Flut an Berichten über die rechtsextremistische Partei. Der letzte große Auftritt von Spitzenkandidat Udo Pastörs und seiner Partei. Sie mussten wenig dafür tun in diesen Tagen, um die Medienpräsenz zu erhalten. Anders als sonst.
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Am Wahlabend saß Pastörs, ehemaliger Juwelier, im „Heute Magazin” zusammen mit den anderen Spitzenkandidaten der in den Landtag eingezogenen Parteien. Wie unbeholfen sogar die öffentlich-rechtlichen Medien sind, wenn es um das Thema Rechtsextremismus geht, sieht man an diesem Abend deutlich. Während alle Kandidaten über ihren Erfolg und ohne Zeitlimit sprechen dürfen, wird Pastörs sofort mit kritisch-provozierenden Fragen angegriffen.
Die FDJ- und SED-Vergangenheit von PDS-Spitzenkandidat Wolfgang Methling wurde vom Moderatorenduo nicht angesprochen, sehr wohl musste Pastörs aber zur NSDAP Stellung beziehen. Während alle Kandidaten ausreden durften, wurde Pastörs bei seinen Antworten unterbrochen – er solle bitte gezielt antworten. Während die anderen Spitzenkandidaten antworteten, blieb die Kamera beim Redner. Anders bei Pastörs: Die verzogenen Gesichter seiner Kontrahenten wurden eingeblendet.

Auch wenn die Linkspartei anders als die NPD nicht als extremistisch eingestuft wird, so zeigt sich doch, dass in der Vergangenheitsbewältigung deutliche Unterschiede gemacht werden. Immerhin tingelt Ex-SED-Vorstand Gregor Gysi zusammen mit der Linken-Ikone Oskar Lafontaine durch alle politischen Talkshows, immer für ein wenig Zündstoff sorgend.
Während NPD, Republikaner und DVU medial ignoriert werden. Lediglich bei inszenierten Eklats im Landtag von Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern bekommt die NPD mediale Aufmerksamkeit. So in etwa, wenn sie im Zusammenhang mit der Bombardierung Dresdens provokant vom „Bombenholocaust” oder von „Wohlstandsnegern” sprechen, um ihre Außenkommunikation zu fördern.

Extremistische Gewalttaten
Diese Behandlung repräsentiert auch die Wahrnehmung der extremistischen Gruppen in Deutschland. Auch wenn Autonome das gerne anders sehen würden, es wird in Deutschland immer schnell über rechtsextreme Motive bei Gewalttaten spekuliert. Zwar standen im Jahr 2007 17.607 Fälle (minus 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) rechtsextremistischer Straftaten „nur” 5.866 linksextremistische Fällen gegenüber, dennoch nahm die links-motivierte Gewalt mit 9,4 Prozent zu. Viele der rechtsextremistischen Straftaten beziehen sich auf Volksverhetzung, dem Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Anstiftung zu Straftaten, Verharmlosung von Gewalt, Holocaustleugnung und Verleumdung. Während bei den Linken oft Sachbeschädigung bei Demonstrationen angeklagt wird.

Dennoch wird gerne über rechte Motive im deutschen Staate diskutiert. So deckte die Bild-Zeitung – eigentlich eher Berichter der ausländischen Gewalttäter, aber doch immer da, wo man gerade skandalieren kann – im Jahr 2000 einen scheinbar rechtsextremen Mord auf. Der kleine Josef Abdulla soll 13 Jahre zuvor in einem Schwimmbad von einer Horde Neo-Nazis ertränkt worden sein, während das ganze Städtchen Sebnitz dabei zusah und nichts unternahm. Das erzählte jedenfalls die Mutter. Andere Medien übernahmen den Fall, es gab eine große Debatte über den Rechtsextremismus in unserem Lande. Wenige Tage später stellte sich heraus, dass das Kind an einem Herzinfarkt wegen eines angeborenen Herzfehlers, den die Mutter verheimlichte, verstarb und kein Rechtsextremer mit dem Tod zu tun hat.

Ignoranz in der Berichterstattung
Die derzeitige Berichterstattung nach dem Prinzip des Ignorierens spiegelt auch die Präsenz der Parteien innerhalb der Parlamente wider. Die NPD wird in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern immer wieder gerne mit der NSDAP verglichen. Wenn sie nicht direkt ignoriert wird. Den Vergangenheitsvergleichen muss sich die Linke zwar nicht stellen, dennoch wird auch sie dort ignoriert, wenn sie nicht gerade an der Regierung beteiligt ist. Anträge werden, auch wenn sie vielleicht sinnvoll sind, abgelehnt, nur weil sie von der falschen Partei gestellt wurden. Im Vorfeld der Bundestagswahl wird sich wohl wenig ändern, auch wenn die Linken in Berlin in der Regierung sind. Keine Partei kann es sich leisten, in die Nähe der Linken gerückt zu werden.

Die NPD gewinnt durch die mediale Behandlung ihrer Partei zunehmend Bestätigung der bereits vorhandenen Wähler und ein neues Feld potentieller Wähler. „Das Problem, das sich stellt, ist die Wahrnehmung der linksextremen Antifa in der Öffentlichkeit. Bedroht sind die innere Sicherheit und das Gewaltmonopol des Staates gerade dann, wenn die eigentliche Feindschaft der Linksextremen gegen Demokratie und Rechtsstaat nicht erkannt wird, weil sie vermeintlich mit moralischem Anspruch und zu Recht gegen eine erstarkende nationale Opposition vorzugehen scheinen”, sagte Uwe Leichsenring in einer Debatte um linksextreme Gewalt im sächsischen Landtag 2004. Mit der Unterstellung von Holger Apfel, dass der Staat vor linken Gewalttätern manipuliert und linke Gewalt fördert, um den angeblichen Rechtsextremismus zu bekämpfen, spricht er rechten Unterstützern aus der Seele.

Nutzung des Internets
Förderlich ist der Umgang, sei er medial oder in der politischen Kommunikation, nur für die Parteien selbst. Durch das Internet kann die Meinungsmache dennoch erfolgen und es wird in Foren immer wieder auf die „ungerechte Berichterstattung” und auf das Ignorieren und Blockieren der eigenen Inhalte hingewiesen. Das Internet bietet Antifa wie Anti-Antifa eine Plattform, sich selbst medial zu präsentieren.
Sei es durch ansprechende Homepages, interaktive Foren oder selbstgemachte Magazine und Nachrichtensendungen. Und während man in Deutschland noch diskutiert, wie man mit extremistischen Inhalten umgehen soll, werden sich Unterstützer eben dieser Gruppierungen finden, die anprangern, wie man in unserem demokratischen System mit ihrer Meinung und Einstellung umgeht. Aufklärung sieht anders aus.

(Text und Foto: Miriam Keilbach)

Miriam K.

Miriam war 2007 im Gründungsteam von backview.eu. Sie volontierte beim Weser-Kurier in Bremen und arbeitet seit 2012 als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Ihre Themen: Menschen, Gesellschaft, Soziales, Skandinavien und Sport.

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