Süden

Die Sache mit dem Dialekt

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Anna Franz verbrachte zehn Wochen in Kamerun, Westafrika. Für back view erzählt sie in Momentaufnahmen von ihren Eindrücken. Im dritten Teil geht es um den Dialekt und Missverständnisse, die daraus entstehen können.

 

 

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Ich spreche Französisch. Eigentlich. Franzosen verstehe ich auch ganz gut, und auch an den kamerunischen Akzent habe ich mich inzwischen gewöhnt. Und dann das.

Eigentlich wollte ich nur mit meiner kamerunischen Mitbewohnerin kochen. Ein paar Teller, Schalen und Gläser badeten noch im Waschbecken und so machte ich mich an den Abwasch. Meine Mitbewohnerin hatte eine Riesenportion Fleisch gekauft (das Essen sollte eine Weile reichen) und bearbeitete es mit aller Kraft, um es in Stücke zu zerteilen.

Ich war noch nicht fertig mit Spülen, da sagte sie: „arrête-moi ça!” Also: Hör auf damit! Ein wenig verwundert über den Befehlston hörte ich mit dem Spülen auf. Seit etwa einer Woche wohnte ich bei ihr und wollte nicht direkt protestieren. Sie wird schon ihren Grund haben, vielleicht hatte ich irgendwie falsch gespült…? Also stand ich etwas unschlüssig in der Küche herum, das halb saubere Geschirr noch immer im Waschbecken, meine Mitbewohnerin noch immer im Kampf mit dem Fleisch.

Nach einem Moment der Verwirrung sagte meine Mitbewohnerin in noch strengerem Ton: „Anna! Viens-là!” Komm her! Ich überlegte, was hatte ich falsches gesagt oder getan? Also schlich ich zu ihr und packte das Ende des Fleisch-Stückes, das sie mir hinhielt.

Es war roh und sehr glitschig. Ich hatte Mühe, es festzuhalten. Mit einem riesigen Messer, das mir genauso riesige Angst einjagte, hebelte sie am Fleisch herum. Das Messer war anscheinend sehr stumpf, oder das Fleisch ziemlich zäh. Wahrscheinlich beides. Und das direkt neben meinen Fingern. Hilfe! Das Fleisch glitt langsam weg und ich traute mich nicht, noch einmal zuzugreifen – das Messer war so nah!

„Anna, arrête!” Rief die Mitbewohnerin. Hör auf! Also ließ ich das Fleisch los und es fiel auf die Arbeitsplatte. Ein bitterböser Blick meiner Mitbewohnerin und verständnisloses Kopfschütteln. Anna, so schwer ist es doch nicht! Mit einem Seufzen packte ich wieder das Ende des Fleisches. Das Messer kam wieder näher. „Ich tu dir nichts!” rief meine Mitbewohnerin aus. „Vertraust du mir denn nicht?” Was soll man da sagen…?

Nach ein paar weiteren erfolglosen Versuchen gab meine Mitbewohnerin auf. Ich mach das schon alleine, sagte sie. Und dann: „Sag mal, wirst du heute noch mit dem Spülen fertig oder dauert das noch bis morgen?”

Wie bitte? Jetzt wurde ich sauer. Sie hatte mir doch vorhin so unhöflich befohlen, aufzuhören! Und jetzt wirft sie mir vor, dass ich nicht zu Ende gespült hätte! Was soll das denn?

Sie hätte mir nie gesagt, mit dem Spülen aufzuhören, entgegnete sie. Sie hätte nur gesagt, ich solle das Fleisch festhalten. Arrêter la viande. Da begriff ich. Arrêter (kamerunisch). Festhalten. Nicht arrêter (frz.), aufhören.

Na toll. Hätte mir das nicht mal jemand früher sagen können?

(Text und Fotos: Anna Franz)

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