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Zwangsexmatrikulationen an der Uni Köln

„Menschen- und lernfeindliche Abwicklung der klassischen Studiengänge” – Die Universität Köln drohte Studierenden mit Zwangsexmatrikulationen, die bis zum 1. April 2011 keine Zwischenprüfung oder Vordiplom vorlegen konnten. Betroffene erhielten nun Exmatrikulationsbescheide und prüfen nun rechtliche Schritte.
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Die Bachelor- und Master-Studiengänge, die im Rahmen des Bologna-Prozesses ins Leben gerufen wurden, stießen schon von Beginn an nicht nur auf Zustimmung. Kritische Stimmen behaupten, die Ziele, die einst hinter der Einführung der neuen Studiengänge standen, werden in der Realität einfach nicht erreicht und die Reformen hätten sich somit nicht bewährt.

Man könnte meinen, dass sich alle, die noch die „alten” Studienabschlüsse anstreben, glücklich schätzen können. Nicht so aber an der Universität Köln. Hier sollten bis zum 1. April 2011 alle Studenten, die in einem der auslaufenden Magister- oder Diplomstudiengänge eingeschrieben sind und bis zu diesem Datum keine Zwischenprüfung beziehungsweise kein Vordiplom vorweisen konnten, zwangsexmatrikuliert werden. Das Prüfungsamt der Philosophischen Fakultät teilte mit, dass hiervon mehr als 1600 Studenten betroffen sind.

Kölner Studierende wehren sich
Natürlich blieb eine solche Drohung nicht ohne Protest. Mehrere Betroffene sowie zahlreiche sich solidarisch zeigende Studenten organisierten eine Unterschriftenaktion, nicht nur gegen die zeitliche Begrenzung der Absolvierung, sondern auch gegen die gänzliche Abschaffung der klassischen Studiengänge, an der bislang rund 1350 Studenten teilnahmen.
Zur Durchsetzung ihrer Interessen schlossen sich die Demonstranten zusammen und versuchten in Gesprächsrunden mit den Prüfungsausschussmitgliedern eine Aussetzung der Fristen herbeizuführen. Zudem wollten sie trotz einiger bereits ausgehändigter Exmatrikulationsbescheide Betroffene noch zu einem juristischen Vorgehen zu ermutigen.

Die Studenten, die sich gegen das Vorhaben der Universität Köln wehren, sind der Meinung, dass Diplom und Magister „bessere Voraussetzungen für ein kooperatives Studium, Kollegialität, demokratisches Engagement und dafür, dass kritische und mündige Hochschulmitglieder in gesellschaftlicher Verantwortung wissenschaftlich arbeiten” bilden. In einem offenen Brief an die Mitglieder der Philosophischen Fakultät fordern sie sogar, durch die Möglichkeit eines „unkomplizierten Wechselns” zwischen neuer und alter Studiengänge, für eine Humanisierung des Studiums zu sorgen.

„Langsame” Studenten zum Gehen auffordern
Die Uni Köln begründet ihr Entschluss damit, die Abwicklung alter Studiengänge vorantreiben zu wollen und weist darauf hin, dass stattdessen Bachelor-Studiengänge angeboten werden, „die in der Regel das bisherige Fächerspektrum der Diplomstudiengänge abdecken”. Doch eine Fortsetzung des bisherigen Studiums ist damit nicht automatisch gesichert. Ein Bachelor in Politik zum Beispiel wird in Köln gar nicht angeboten – was passiert mit bisherigen Politikwissenschaftlern?
Der Universitäts-Pressesprecher Patrick Honecker behauptet, dass es Fälle gebe, in denen Studenten 20 oder sogar 50 Semester eingeschrieben sind. Diese extrem hohe Semesteranzahl bildet jedoch die Ausnahme. In den Prüfungs- und Studienordnungen aller derjenigen, die noch auf einen Magister- oder Diplomabschluss hin studieren, ist keine Rede von einer Höchststudienzeit. Somit konnte keiner der Betroffenen bei der Einschreibung mit einer Zwangsexmatrikulation aufgrund  von zeitlicher Einschränkung rechnen.

Und dann?
Es muss ein erschlagendes Gefühl sein, wenn man plötzlich aufgefordert wird, die eigene Universität zu verlassen. Bei Vereinzelten hängt die Zwangsexmatrikulation bloß von einer einzigen Prüfung ab, deren Bewertung teilweise noch nicht einmal bekannt gemacht wurde. Hält man dann schließlich solch einen Bescheid in der Hand, bleiben viele Fragen offen. Wie soll es weiter gehen? Waren die letzten Semester völlig sinnlos? Welches Unternehmen nimmt einen schon ohne Abschluss? Lohnt sich der Wechsel an eine andere Universität überhaupt noch?

Auch, wenn die meisten der Studenten in einen der Bachelor- oder Masterstudiengänge wechseln können und ihre Zukunft nicht von dieser einen Frist abhängt, sollte man eine Drohung zur Zwangsexmatrikulation auf ihren Sinn hin überdenken. Unabhängig davon, ob sich die Qualität eines Studiums durch den Bologna-Prozess verändert hat oder nicht, sollte jedem Einzelnen die Möglichkeit erhalten bleiben, seinen angestrebten Abschluss auch zu Ende zu bringen. Und nicht alle Studenten, die die Regelstudienzeit überschreiten, liegen auf der faulen Haut – teilweise liegen einschneidende Gründe dahinter.

Einige konnten in der vergangenen Woche noch schnell die erforderlichen Prüfungen ablegen und haben nun bis 2013 Zeit, ihren Abschluss zu Ende zu bringen. Andere halten den Exmatrikulationsbescheid nun tatsächlich in der Hand. Das NRW-Wissenschaftsministerium prüft derzeit, ob die Zwangsexmatrikulation mit der gültigen Rechtsverordnung vereinbar ist. Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität Köln rät allen Betroffenen, einen Härtefallantrag zu stellen, über den das Prüfungsamt entscheiden muss oder sogar gerichtliche Maßnahmen einzuleiten. Die Studierenden wollen nun gemeinsam Klagen einreichen und werden bis dahin trotz offiziellem Ausschluss weiterhin ihre Veranstaltungen besuchen und hoffen auf einsichtige Dozenten.

Natürlich ist ein Studium kein Hobby. Eine Immatrikulation sollte bei jungen Menschen immer darauf abzielen, auch irgendwann mal geforderte Prüfungen abzulegen, um die Universität dann mit einem Abschluss verlassen zu können. Aber es nutzt wohl Keinem etwas, wenn junge Erwachsene durchs Studium hecheln, nur um so schnell wie möglich auf den Arbeitsmarkt zu stolpern. Denn bei einer solchen Einstellung bleiben nicht nur analytisch-kritisches Denken, reflektiertes Lernen und interessengeleitetes Studieren, sondern auch Menschen auf der Strecke.

Unter diesem Link ist online weiterhin die Abgabe eine Unterschrift gegen die Zwangsexmatrikulation möglich.

(Text: Christina Hubmann)

Christina H.

Christina wollte eigentlich mal Busfahrer werden, ehe sie sich entschloss, doch "irgendwas mit Medien" zu machen. Schreiben tut sie nämlich schon immer gern. Und wie das Leben ohne dieses Internet funktioniert hat, fragt sie sich schon seit Längerem - erfolglos.

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