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Zur falschen Zeit am falschen Ort

Nicht nur einzelnen Menschen, sondern auch ganzen Ländern kann es passieren, dass sie sich zur falschen Zeit am falschen Ort befinden. Eines dieser Länder ist Afghanistan. Schon im 19. Jahrhundert war es umworben und umkämpft von Russen und Engländern.
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Zwischen Persien, Indien und Innerasien gelegen, verbindet Afghanistan im 19. Jahrhundert die wichtigsten Handelsrouten der damaligen Zeit, wie beispielsweise den südlichen Ableger der Seidenstraße. Diese strategisch vorteilhafte Lage blieb bei den umliegenden Großmächten nicht unbemerkt: Schon damals war die afghanische Passage durch den Hindukusch heiß umkämpft.
Russland versuchte seinen Machteinfluss zu erweitern, England wollte einen direkten Zugang zu seinem wichtigsten Handelsziel Indien. Dass in Afghanistan Krieg herrscht, ist also – geschichtlich betrachtet – nichts Neues.

England führte insgesamt drei Kriege gegen die Afghanen. Schon 1842, am Ende der ersten Intervention, erfuhr das Britische Imperium seinen herbsten Rückschlag. Von 16 000 Soldaten, die den Rückzug von den afghanischen Städten Kabul nach Dschalalabad versuchen, kommt nur ein einziger durch. Alle anderen werden massakriert. Der Überlebende ist Militärarzt. Ihn ließen die afghanischen Kämpfer nur aus einem Grund am Leben: Er sollte von den Greueltaten erzählen, die später als größtes Fiasko der britischen Armee in die Geschichte eingingen. Nicht nur aufgrund dieser Anekdote wird Afghanistan oft als „Graveyard of Empires” bezeichnet, als „Friedhof der Großmächte”.

Denn auch wenn England zwei von drei Kriegen für sich entscheiden konnte, lehrte Afghanistan der damaligen Großmacht eine bittere Lektion: Die Invasion eines Landes ist eine Sache, die mit militärischer Übermacht relativ einfach gelingt. Eine ganz andere Sache ist es, das Land zu befrieden oder gar eine fremde Regierung einzusetzen.
Diese Erfahrung musste auch die sowjetische Armee machen, die Afghanistan 1979, noch während des Kalten Krieges, besetzte. Ihre Gegner waren die so genannten Mudschaheddin, islamische Widerstandskämpfer mit prominenter Unterstützung: Von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien finanziert,  organisiert und ausgerüstet vom pakistanischen Geheimdienst „Inter Service Intelligence”. Die Mudschaheddin hatten Erfolg: 1983 sind 80 Prozent des Landes unter ihrer Kontrolle. Erst 1989 zog die Sowjetunion ihre Truppen aus Afghanistan zurück.
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Ab diesem Zeitpunkt war sich das Land mehr oder weniger selbst überlassen und zerrüttet vom Bürgerkrieg verschiedener Clans. Wenige Jahre später regierten die Taliban das Land. Auch noch, als 2001 die US-geführte Intervention „Operation Enduring Freedom”  began. Nach wenigen Wochen Krieg waren die Taliban offiziell besiegt. Hamid Karzai wurde als Präsident vorgeschlagen – und später gewählt. Zum Schutz seiner Regierung wurde die „International Security Assistance Force” (ISAF) ins Leben gerufen – ein militärischer Einsatz, an dem sich anfangs 37 Staaten beteiligten, darunter auch Deutschland.

Die Erfahrung, die England 1842 machen musste, blieb den westlichen Mächten auch in diesen Tagen des 21. Jahrhunderts nicht erspart. Ein Land, das zutiefst durch Tribalismus geprägt war und ist, fügt sich nicht einfach in die westlichen Vorstellungen eines stabilen Staates ein. Noch immer gleicht die Machtstruktur Afghanistans einem Fleckenteppich aus verschiedensten Clans.

Noch immer beherrscht Korruption das Land, noch immer ist Drogenhandel ein ungelöstes Problem. Der Opiumanbau ist in den letzten Jahren sogar deutlich gestiegen. In diesem Durcheinander von Interessenskonflikten stehen die westlichen Truppen auf verlorenem Posten. Immer wieder werden Soldaten bei Anschlägen verletzt und getötet. Und von anhaltendem Frieden kann keine Rede sein.

(Text: Ronja von Wurmb-Seibel / Foto: F.M. by pixelio.de)

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