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Wir sollten Mut beweisen!

Die USA brechen jeden Tag millionenfach Recht auf deutschem Boden: Sie sammeln verdachtsunabhängig sensible Daten, hören das Handy unserer Kanzlerin ab und betreiben offensichtlich Wirtschaftsspionage. Die NSA-Geheimdienstaffäre entsetzt das ganze Land. Die Frage ist nur: welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Wir sollten Edward Snowden, dem Whistleblower, dem wir die Enthüllungen verdanken, Asyl gewähren!
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Die USA waren einmal unsere Freunde. Als Land der unbegrenzten Möglichkeiten war Amerika immer ein Vorbild für Deutschland. Vor allem das politische System der USA galt uns als Beispiel dafür, wie Demokratie funktionieren kann, wie sie Freiheit sichert und gleichzeitig ihre Bürger schützt. Doch nach den Enthüllungen von Edward Snowden ist nichts mehr, wie es einmal war.

Die NSA-Affäre bedroht nicht nur unsere Privatsphäre. Sie bedroht auch die Meinungsfreiheit und das Recht auf parlamentarische Kontrolle und damit fundamentale demokratische Grundsätze. In Amerika, so suggeriert uns die Geschichte, braucht man nur eine Vision und den Mut, diese gegen alle Widerstände durchzusetzen, dann ist man ein Held. Ein Held wie George Washington, Abraham Lincoln oder Martin Luther King. Helden, die bereit waren, alles aufs Spiel zu setzen, weil sie an etwas glaubten.

Die Ideale von Snowden
Edward Snowden glaubt auch an etwas. Er glaubt daran, dass die Wahrheit über die Praktiken der Geheimdienste ans Licht kommen muss . Er hat dafür sein bisheriges Leben aufgegeben, seinen hoch bezahlten Job, das Leben mit seiner Freundin und seiner Familie. Aber ist er deswegen ein Held? Die USA bezeichnen ihn als Verräter und verraten damit selbst ihre freiheitlichen Ideale.

Amerika hört befreundete Regierungs- und Staatschefs ab, zapft Untersee-Glasfaserkabel an und schreckt nicht einmal davor zurück, die Vereinten Nationen auszuspionieren. Deutschland muss sich dagegen wehren. Snowden Asyl zu gewähren, wäre ein wichtiger Schritt, den USA ihre Grenzen aufzuzeigen.

snowdenproDoch es gibt noch einen weiteren Grund, der mindestens ebenso schwer wiegt: Snowdens verzweifelter Versuch, vor der Rache der amerikanischen Justiz zu fliehen, hat ihm zum Spielball zwischen den USA und Russland gemacht. Ausgerechnet Russland hat Snowden vorläufiges Asyl gewährt und ihn damit zum Instrument im Machtkampf gegen die USA gemacht.

Russland, dessen politisches System unter Ex-KGB-Offizier Putin wieder an die Sowjetunion erinnert, das Land, in dem regimekritische Journalisten lebenslang eingesperrt oder gleich umgebracht werden. Russland, dessen Gesetzgebung „homosexuelle Propaganda“ verbietet und das Pussy-Riot-Aktivistinnen zu sibirischem Arbeitslager verurteilt, weil sie ein 41-sekündiges Konzert in einer Kirche geben. Das Land, das die Besatzung des Greenpeace-Schiffes „Artic Sunrise“ seit zwei Monaten wegen Piraterie in Untersuchungshaft festhält.

Eben jenes Russland, das die Menschenrechte mit Füßen tritt, kann sich nun damit brüsten, für Freiheit und Bürgerrechte zu kämpfen. Dass ein Land, das unseren Wertvorstellungen einer freien Gesellschaft so fundamental widerspricht, Snowden für anti-westliche Propaganda instrumentalisiert, muss für uns Deutsche, aber auch für alle Europäer, unerträglich sein. Die Politik der Europäischen Union soll von der Wahrung der Menschenrechte, der Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geleitet werden, so will es der Lissaboner Vertrag. Wenn diese Begriffe nicht nur hohle Phrasen sein sollen, dann müssen wir Snowden Asyl gewähren.

Edward Snowden hat alles riskiert für die Wahrheit. In seinem ersten Interview mit dem britischen „Guardian“ im Juli 2013 sagte er, seine einzige Furcht sei, dass seine Enthüllungen keine Wirkung zeigten. Wir sollten dafür sorgen, dass seine Furcht unbegründet ist, und ihm Asyl gewähren. Nicht um Snowdens Willen, sondern um der Wahrheit willen. Edward Snowden hat großen Mut bewiesen. Wir sollten es ihm gleich tun.

(Text: Anja Menzel / Foto: Joy Donath by jugendfotos.de)

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