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Willkommen im Eldorado der Wohnungssuche

Es ist ja fast so ein bisschen wie Weihnachten, Ostern und Neujahr: Alle Jahre wieder ist es soweit. Jedes Jahr gegen September und Oktober suchen Tausende von Studenten verzweifelt eine Wohnung in den Studentenstädten. Sei es München, Berlin oder Aachen, die Wohnungsnot scheint fast überall so schlimm wie nie zu sein: Selbst in einer Kleinstadt wie Bamberg. Ein Erlebnisbericht über Bettgefährten, Sexangebote und Scheinwohnungen mit Kaution und Provision.

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Eigentlich sollte es keine allzu große Überraschung sein, dass 2011 besonders viele Studenten an die Universitäten drängen: Dass  in Bayern zwei Jahrgänge auf einmal ihr Abitur erlangt haben, wissen die Städte, Universitäten und Verantwortlichen schon seit über acht Jahren. Ist es wirklich so schwer absehbar, dass die Mehrzahl der jungen Abiturienten studieren möchte? Die Aussetzung der Wehrpflicht verschärft die Zahl der Erstsemester weiter, genauso wie diejenigen, die schon länger auf ihren Studienplatz hoffen und fleißig Wartesemester sammeln.

Wohnungen wie warme Semmeln
Auch ich werde, möchte, will, dieses Jahr im Oktober mein Studium beginnen. Und das noch nicht einmal in einer weltbekannten Großstadt, sondern im fränkischen Bamberg. Obwohl hier vergleichsweise nicht so viele Menschen wie in meiner Heimat München leben, scheint die große Zahl der Erstsemester für den Großteil der Einwohner dort eine ziemliche Neuigkeit zu sein. Wohnungen sind hier wie warme Semmeln: Sie gehen schnell weg und sind auch inzwischen gegen „Ladenschluss” nicht mehr in großer Zahl verfügbar – und werden inzwischen zu unglaublichen Bedingungen vermietet und verkauft.

Willkommen im Eldorado der Wohnungssuche, wir möchten Sie bitten, Ihre Sitzgurte anzulegen und die Tische hochzuklappen. Wenn Sie möchten, dürfen Sie auch die Beine breit machen oder schon einmal die Wärmflaschen bereitstellen. Im Folgenden möchten wir Ihnen einige Angebote aus unserem reichhaltigen Programm unterbreiten.

Ein Bett mit einem Fremden teilen
Wie wäre es denn zum Beispiel damit? Ein Zimmer für knapp 300 Euro. Aber über den Preis lässt sich mit dem Vermieter, Herrn Obermayer*, noch reden, schreibt er bei einem WG-Portal an Sie, seinen vielleicht zukünftiger Mitbewohner. Doch wichtig: Ein Mann soll es sein. Herr Obermayer ist unter der Woche nicht in Deutschland, am Wochenende zieht es ihn jedoch heim. Daher müsste der zukünftige Bewohner am Wochenende reißausnehmen – oder sich eben das Bett teilen. Auf seiner bisherigen Suche schien er mit keinem seiner zukünftigen Bettgefährten warm werden zu können. Das WG-Portal schien ihm nicht die passenden Bewerber zu liefern.

Einige Tage später startete  er einen neuen Versuch. „SUCHE NUR MÄNNER! Für die, die es immer noch nicht gerafft haben!!” – Es hatten scheinbar auch Frauen seine Nähe gesucht. Aber beim nächsten Mal hat er kein Glück. Herr Obermayer startet einen letzten (?) Versuch – einen präziseren. Denn er möchte „keine Lusche haben, sondern jemanden mit dem man Thermen und Themenparks besuchen kann”. Ich wünsche ihm viel Glück, vielleicht findet er bald jemanden, der ihm sein Bett vorwärmt. Als Frau kam und komme ich für ihn eh nicht in Frage.

Verpflichtung zum Sex inklusive
Okay, Bettteilung – was für ein Wort! – kommt für Euch nicht in Frage? Wie wäre es denn hiermit? Zwei Herren suchen ihr Gegenstück. Eine Dame soll die Zukünftige sein. Die Miete ist hierbei nebensächlich. Viel wichtiger ist den Herren der Schöpfung der „lukrative” Nebenjob beziehungsweise eine Art Leibrente, die ihr bei IHR buchen: „Du fragst dich bestimmt, warum wir nur eine Frau als Mitbewohnerin akzeptieren. Nun ja, das hat einen ganz einfachen Grund. Du bist gewissermaßen für die Befriedigung unserer männlichen Bedürfnisse zuständig”, versuchen sie ihre Forderung geschickt zu verpacken.

Die Herren geben sich sogar galant, denn „wir verlangen nichts perverses oder komisches”. Nein, nur ein wenig Sex soll es sein. Am besten morgens, mittags, abends und dazwischen. Haben Sie also kein Problem damit, den Laufhausbesuch zu ersetzen – Schlagen Sie zu! Ich möchte an dieser Stelle nicht zu Gewalt aufrufen, aber eigentlich könnte man diese Aufforderung auch als Nichtmieter wortwörtlich nehmen; bei diesen Herren.

Natürlich sind das die extremen Fälle bei der Wohnungssuche. Wer rechtzeitig anfängt zu suchen – das heißt vier Monate im Voraus – kann auch darauf hoffen, dass er eine Wohnung bekommt, die ihm gefällt und einigermaßen bezahlbar ist. Welcher Student kann das allerdings? Bis man die Zulassungen der verschiedenen Unis in den Händen hält, ist es oft Mitte August. Wer auf einen Studienplatz im Nachrückverfahren hofft, muss noch bis in den Oktober hinein warten. Mit der Wohnungssuche kann man in dieser Zeit schlecht beginnen. Wie soll man wissen, in welcher Stadt man letztlich landet?

Zielgruppe: Eltern
Die vielen Studenten treiben natürlich die Mietpreise in die Höhe: Große Nachfrage aber geringes Angebot. Und selbst wenn Angebote geschaffen werden, sind diese zu teuer. Ein neuartiges Wohnprojekt zielte beispielsweise auf Studenten ab, deren Eltern die Miete zahlen. Mit Preisen von 350 Euro und mehr lockten sie die Mieter in neue Luxusappartments. Ganz schlau stellte sich eine andere Immobilienfirma an: Die Eltern sollten gleich die gesamte Wohnung kaufen und die Studenten Miete an die Eltern zahlen. Vom Prinzip her interessant, aber wohl nur die wenigsten Studenten bleiben nach ihrem Studium vor Ort.

Meine Suche begann auf den typischen Internetportalen. WG-gesucht.de, studi-wg.de und noch einige andere, sowie auch das Uni-eigene Forum. Hunderte von Anfragen später schrieben mir oft entnervte Vermieter zurück, dass sie bereits über 300 Anfragen in acht Stunden erhalten hatten. Eine ältere Dame am Telefon war sogar völlig überfordert. Seit sechs Stunden klingelte ihr Telefon – damit hatte sie nicht gerechnet, als sie ihre Annonce in der Zeitung aufgab. Zwei Monate später hatte ich sämtliche Kollegen, Freunde, Freundesfreunde und Verwandten angesetzt, die nur irgendwie Kontakte nach Bamberg hatten. Sogar eine wildfremde Dame auf der Straße hatte ich angesprochen, nur weil sie leicht fränkisch klang.

Ein Tipp einer Bekannten gab den entscheidenden Tipp: Selbst eine Anzeige in der Zeitung aufgeben. Gesagt, getan. Am Samstag und Montag sollte diese erscheinen. Entgegen meiner Vermutung, dass sich auf die Samstagsanzeige viele Menschen melden würden, da doch im Grunde genommen am Wochenende die meisten Zeitungen gelesen werden, meldeten sich am Montag drei Vermieter beziehungsweise Interessenten. Tags darauf hatte ich endlich nach langer Suche ein Zimmer in einer WG und zumindest meine Wohnungsgeschichte hat ein Happy End gefunden. Einigen meiner Mitsuchenden erging es nicht so gut: Sie müssen pendeln oder warten, bis sie etwas Passendes finden. Ob sich nächstes Semester jedoch die Wohnungssituation ändert und gar verbessert, sei dahingestellt.

*Der Name wurde von der Redaktion geändert

(Text: Sarah Fischer)

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