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Wie die ZAF den Print-Journalismus rettet

Die Printmedien haben immer weniger Kunden? Keiner liest mehr Zeitung? So ein Quatsch! Dank den wertvollen Marketingstrategien der ZAF steigt die Abonnenten-Quote der Zeitung rasant an. Nur die Studenten haben dann kein Geld mehr.


Es war einmal die Vertreterin einer großen allgemeinen Tageszeitung mit Sitz in einer deutschen Finanzmetropole – nennen wir sie ZAF. Die Vertreterin, nennen wir sie Lisa, wollte gerne Urlaub in der Karibik machen. Dafür brauchte sie Geld. Deshalb ging sie im Namen der Zeitung aus der Finanzmetropole in eine Hochschule am Bodensee, um Studenten für ein Probeabonnement anzuwerben. Pro Student bekommt Lisa eine Provision, also viel Geld.

Und weil so ein Urlaub in der Karibik teuer ist, muss Lisa möglichst viele Studenten für so ein Probeabo begeistern. So eine Studentin ist Julia. Julia mag Probeabos. Sie liest nämlich gerne Zeitung.

Julia möchte also ein Probeabo. Aber Halt! Hört man nicht immer, dass Probeabos nur eine Masche sind, um Kunden an sich zu binden? Um ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen? Werden solche Abos nicht immer automatisch verlängert, wenn man nicht aufpasst? Man munkelt da ja das ein oder andere.

Aber Lisa, die eine gute Verkäuferin ist und gerne in die Karibik will, versichert: „Nein, so etwas gibt es bei uns nicht. Und weißt du auch warum? Wir sind besonders kundenfreundlich. Wir schicken dir nämlich eine Mail zu, damit du rechtzeitig kündigen kannst. Darauf kannst du dich verlassen. Das ist alles kein Problem.” Julia ist immer noch unsicher: „Ja, wirklich?” – „Ja, wirklich!”

Unerfreuliches Weihnachtsgeschenk
Okay. Julia freut sich und schließt das Probeabo ab. Nun muss man wissen, dass die ZAF wirklich ein ganz besonders kundenfreundliches Unternehmen ist. Sie verschickt ihr Probeabos nämlich als Weihnachtsgeschenk zur Weihnachtszeit. Dass Studenten um diese Zeit meist daheim bei ihren Familien sind, muss sie wohl vergessen haben. Das soll ja auch nur selten vorkommen.

Über dieses Weihnachtsgeschenk hat sich Julia natürlich sehr gefreut. Allerdings erst zwei Wochen später. Denn dann kam sie wieder zurück an ihren Studienort und fand lauter tolle Exemplare der ZAF vor ihrer Haustüre. Aber Moment! Wir erinnern uns: Was ist mit der versprochenen Mail mit Link zur Kündigung passiert? Die muss wohl im Weihnachtstrubel untergegangen sein. Absicht würde Julia einem so seriösen Unternehmen wie der ZAF natürlich nie unterstellen.

Ein paar Tage später freut sich Julia über Post: Die ZAF hat geschrieben! Sie will Julia gerne weiterhin Zeitungen zuliefern. Für nur 52,34 Euro im Monat. Da ist Julia hellauf begeistert. Dann aber fällt ihr ein, dass sie ja Studentin ist. Und Studenten haben keine 52,34 Euro im Monat übrig für Zeitungen. Auch das muss die ZAF vergessen haben – wahrscheinlich wegen dem Neujahrstrubel.

Genauso vergessen hat die ZAF wohl die Tatsache, dass auch mündliche Vertragsbedingungen bindend und rechtsgültig sind.

Nun gut, die ZAF  ist ja ein seriöses Unternehmen und wird das sicherlich wieder gerade biegen. Schließlich weiß sie ja bestimmt, dass sie die versprochene Mail vergessen hat. Und sie weiß bestimmt auch, das Julia keine Hellseherin ist. Deshalb konnte sie auch leider nicht ahnen, dass die ZAF gerade an Weihnachten einen Zeitungsturm vor ihrer Haustüre baute.

Kontaktaufnahme unerwünscht
Julia versucht also mit dem Verlag zu sprechen. Die ZAF ist ein sehr kundenorientiertes Unternehmen, deshalb kostet ein Anruf über das Handy auch nur 42 Cent pro Minute. Der nette Mann am anderen Ende kann Julia leider nicht weiterhelfen. Sie soll eine Mail schreiben, meint er.

Julia schreibt eine Mail. Zurück kommt eine Kündigungsbestätigung für Ende Januar. Die 52,34 Euro für diesen Monat soll sie allerdings bezahlen. Man munkelt, dass manche Unternehmen solche Strategien absichtlich anwenden – in der Hoffnung, dass der Kunde aufgibt und die 52,34 Euro überweist, um sich weiteren Ärger zu ersparen. Das ist bei der ZAF aber natürlich nicht der Fall. Denn die ZAF ist ein sehr seriöses und kundenorientiertes Unternehmen.

Also schreibt Julia eine weitere Mail, um das Missverständnis aufzuklären. Sie bekommt auch tatsächlich eine Antwort: „Bitte schicken Sie uns Ihre Bestätigung zu.” Nun ist Julia etwas verwundert. Sie dachte immer, die Mitarbeiter der ZAF könnten lesen und die aufgenommenen Informationen in ihren Gehirnen verarbeiten. Aber nun weiß Julia es besser: Standard-Antworten sind für ein kundenorientiertes Unternehmen viel besser.

Das merkt sie auch bei dem zweiten Brief, den sie ein paar Tage später bekommt. Der weist sie nur darauf hin, dass Julia da etwas falsch verstanden hat. Sie hätte ja einfach nur rechtzeitig kündigen müssen. Jetzt muss sie halt zahlen. Blöd.

Explosionsgefahr
Dummerweise scheint auch mit den Telefonen der ZAF etwas nicht zu stimmen. Da Julia Studentin ist, hat sie keine 42 Cent pro Minute, um bei der ZAF anzurufen. Also schreibt sie eine Mail und bittet um Rückruf. Denn ihre Mails hat anscheinend keiner verstanden.

Nun muss man aber wissen, dass es bei der ZAF sehr gefährlich zugeht. Denn die Telefone dort sind mit einem Explosionssystem verbunden. Das heißt, jedes Mal wenn ein Mitarbeiter eine Nummer öfter als einmal am Tag wählt, geht sein Schreibtisch in die Luft. Diese Bombentaktik ist etwas unpraktisch. Denn deshalb konnte die ZAF bisher nur einmal bei Julia anrufen – diesen Anruf hat Julia verpasst. Auf den Rückruf Julias und drei weitere Mails konnte sich bisher leider kein Mitarbeiter melden. Aber das hat bestimmt gute Gründe. Vielleicht ist ja bei einem wiederholten Anruf plötzlich das ganze Büro in die Luft geflogen?

Nun könnte man meinen, dass Studenten absichtlich in falscher Sicherheit gewogen werden, ihnen beim Verkaufsgespräch gar Lügen aufgetischt werden und man darauf spekuliert, dass der Fisch schon im Netz bleibt, sobald man ihn mal gefangen hat. Aber nicht bei der ZAF. Denn die Probeabos der ZAF sind toll. Damit kann man wunderbar herausfinden, welche Zeitung einem nun wirklich gefällt, bevor man sie dauerhaft abonniert. Und dank Lisa weiß Julia jetzt, dass die ZAF  ihr nicht gefällt. Und dank Julia kann sich Lisa jetzt einen Cocktail auf den Bahamas gönnen.

(Text: Julia Jung)

Julia J.

Hauptberuflich ist Julia Weltenbummlerin, nebenberuflich studiert sie Politik. Wenn sie nicht gerade durch Australien, Neuseeland, Südafrika oder Hongkong reist, schreibt sie ein paar Zeilen für back view und das schon seit 2009.

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