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Weihnachten und der eigene Frieden

„Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind. Kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus”. Der einstige Segen ist inzwischen zu einer Plage geworden. Nicht das Christkind ist schuld sondern die Gesellschaft, die sich zur Weihnachtszeit beim Einzelhandel trifft, um hemmungslose Konsumorgien zu feiern.

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Vor langer Zeit hatte die Adventszeit, inklusive Weihnachten, den Ruf besinnlich zu sein und zum Nachdenken anzuregen. Irgendwann jedoch entwickelte sich ein gestörtes Zwangsverhältnis zwischen Gesellschaft, Konsum und den letzten beiden Monaten im Jahr: die Geburt des Weihnachtsgeschäfts.

Diese Idee war keine bloße Erfindung des Einzelhandels. Er orientierte sich lediglich an den vermeintlichen Bedürfnissen der Menschen. Der Angst, durch die falschen oder gar fehlenden Gaben nicht geliebt zu werden und zu wenig Aufmerksamkeit zu schenken, stellten die Geschäfte zahlreiche Lösungsangebote in Geschenkform entgegen. Geschenke, die nicht mehr viel mit einem alltäglichen Gebrauchswert zu tun haben, sondern Luxus sind. Dadurch verdient der Einzelhandel zum Teil fast ein Viertel seines Jahresumsatzes aus den Verkäufen, die in den zwei Monaten vor Weihnachten gemacht werden.

Größer, teurer, luxuriöser
Zu Weihnachten trifft sich die Familie. Sie genießt, dass sie es ein Mal im Jahr geschafft hat, sich an ein und demselben Tisch zu treffen. Die christlichen Werte, die Weihnachten eigentlich vermitteln wollte, spielen bei den wenigsten eine Rolle. Dafür sind es die Werte der Wirtschaft, die ständig erfolgreich suggeriert, Dinge verschenken zu müssen, um als „guter Mensch” dazustehen. Wen wundert es da, wenn die gesellschaftlichen Normen Geschenke zu Weihnachten voraussetzen.

Dies hat sich zu einem Konkurrenzkampf entwickelt. Wer schenkt wem das größte oder teuerste Geschenk und bleibt somit länger in Erinnerung? Wer sich was leisten kann oder wer einen guten Weihnachtskredit aufgenommen hat, zeigt sich dann am 24. Dezember. Scheinbar zählt alleine das was man anderen gekauft hat um die eigene Identität zu bestätigen. Sicherlich gibt es ab und an ein „bei uns gibt es nur Kleinigkeiten” oder „wir haben gesagt, wir schenken uns nichts, haben aber doch immer etwas gekauft” zu hören. Doch wer überfällt dann die Innenstädte mit gut gefüllten Portemonnaies? Wie immer will es keiner gewesen sein.

Weihnachtliche Hysterie
In der Realität lässt sich jährlich folgendes Schauspiel beobachten: Konsumwütige Menschen versuchen sich und anderen das Leben schön zu kaufen. Das geschieht nicht aus Nächstenliebe sondern aus purem Egoismus. Sie überfüllen die Innenstädte und verbinden Glühweintrinken beim Weihnachtsmarkthopping mit weiteren prachtvollen Einkäufen. Sie sind gehetzt. Klamotten fliegen in den Geschäften herum, liegen auf den Böden. Die Spielwarenabteilungen haben die ersten Waren nicht mehr auf Lager. Wirr und genervt von ihresgleichen versuchen sie sich durch den Dschungel der Warenangebote zu schlagen, um ihre Lieben glücklich zu machen.

Ablenken ist leichter als Lenken

Überflüssiger Konsum kompensiert, betäubt vorübergehend und veranlasst auch zu der These, dass viele ein schlechtes Gewissen ihren Mitmenschen gegenüber haben. Warum? Vielleicht haben sie zu wenig Zeit mit anderen verbracht oder sie vor den Kopf gestoßen. Auch die Selbstmordrate und Zahl der Menschen, die an Depressionen leiden, erlebt jedes Jahr im Dezember einen rasanten Anstieg. Überdimensionale Geschenke und der weihnachtliche Wahnsinn ab Oktober machen scheinbar vor allem den Einzelhandel glücklich.

(Text: Stefanie Pietschmann)

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