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Was machen Krankenhäuser nun ohne Zivis?

Das Ende der Wehrpflicht bringt für viele Krankenhäuser Probleme mit sich. Ohne den Wehrdienst fällt auch der verpflichtende Ersatzdienst weg. Die ausbleibenden Zivildienstleistenden fehlen plötzlich an vielen Ecken des deutschen Sozialsystems.
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Anfangs wurden Zivildienstleistende oft als „Drückeberger” bezeichnet, doch mittlerweile sind sie längst zu einem wichtigen Teil des deutschen Sozialsystems geworden. In Krankenhäusern unterstützen sie die Pflege oder übernehmen Transportdienste. Damit entlasten sie das ohnehin unter Zeitdruck stehende Pflegepersonal.

Doch bald soll das ein Ende haben. Und es wird befürchtet, dass wie so oft „alles an der Pflege hängen bleibt”. Gerade in kleineren Krankenhäusern gibt es meist keinen externen Transportdienst. Besonders hier wird das Fehlen der Zivildienstleistenden zu spüren sein, denn die Pflegekräfte werden zunächst erst einmal einspringen müssen. Der Transport eines Patienten zu seiner Untersuchung dauert je nach Größe des Krankenhauses etwa eine viertel Stunde. Der Pfleger, der den Transport übernimmt, fehlt in dieser Zeit natürlich auf der Station und die reguläre Arbeit leidet darunter.

Im letzten September leisteten etwa 62 000 junge Männer ihren Zivildienst bei der Pflege und Betreuung von Kindern, kranken, behinderten und alten Menschen oder in anderen Einsatzbereichen des Zivildienstes. Das sind 124 000 Hände, die plötzlich fehlen. Bei der Betreuung kann auch nicht einfach jeden Tag jemand Anderes einspringen. Die meisten Aufgaben, die Zivildienstleistende übernehmen, haben mit Vertrauen zu tun, welches sie sich erarbeiten müssen. Würde jeden Tag ein anderer Betreuer aushelfen, könnte das zwischen Betreuer und Patient zu Komplikationen führen.

Um das zu umgehen, ist ein „Bundesfreiwilligendienst” geplant.  Das Bundesfamilienministerium plant eine einjährige Vollzeitbeschäftigung, die dem „Freiwilligen Sozialen Jahr” (FSJ) ähnelt. Es sollen bundesweit etwa 35 000 Zivildienststellen umgewandelt werden. Jeder, der sich sozial engagieren möchte, könnte sich dafür melden. Sowohl junge Menschen, die auf einen Studienplatz warten, als auch Hausfrauen und Rentner. Die Frage dabei bleibt jedoch: Wer wird sich melden, wenn es plötzlich nicht mehr Pflicht ist?

Die Gesellschaft hat sich zu einer Leistungsgesellschaft entwickelt. Nur, „was etwas bringt” zählt. Soziales Engagement wird dabei oft außer Acht gelassen. Schon in der Grundschule fragen die Kinder „Muss ich das machen?”. Von Anfang an lernen wir, dass Arbeit einen Nutzen hat – oder haben muss. Fleiß bringt gute Noten und die bringen Zuhause ein Lob. Fleiß im Beruf bringt eine Beförderung und damit eine Gehaltserhöhung. Der Nutzen steht bei fast allen Entscheidungen im Vordergrund. Warum sich sozial engagieren für ein Taschengeld, wenn es kein Pflicht-Zivildienst ist? Das wird sich so manch einer fragen.
Und die Last dieser Frage trägt das Pflegepersonal ebenso wie die Patienten.

(Text: Regina G. Gruse)

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