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Warum das Dschungelcamp so fasziniert

Den 17. Januar habe ich mir rot im Kalender angestrichen. Ein Jahr lang dauerte die Durststrecke – nun ist es endlich wieder soweit. Elf Pseudo-Prominente fallen in den australischen Dschungel ein, um sich vor laufender Kamera demütigen zu lassen – die achte Staffel von „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ ist für mich schon jetzt Fernseh-Highlight 2014.
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Um eines vorweg klarzustellen: Eigentlich besitze ich gar keinen Fernseher. Seit mehreren Jahren hat es sich nun schon bei mir ausgeflimmert. Da in der Glotze regelmäßig nur Unsinn kommt, ist mir der Abschied vom TV-Gerät nicht schwergefallen. Nachrichten kann man sich schließlich auch im Internet ansehen und der Rest des Programms ist sowieso Zeitverschwendung.

DschungelcampDoch für „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ mache ich eine Ausnahme. Um keine Folge dieser Sternstunde des deutschen Fernsehens zu verpassen, ist mir jedes Mittel recht: Ich verabrede mich zum Public Viewing in Bars, lade mich ganz dreist selbst zu Freunden und Familie nach Hause ein oder bemühe im Notfall die RTL-Mediathek. Der Vorteil, wenn man das Dschungelcamp in einer größeren Runde verfolgt: Man kann gleich während der Sendung anfangen, über den mangelnden Intellekt der Teilnehmer zu lästern.

Die niederen Instinkte
Denn das Erfolgsrezept des Ekel-Formats ist ein ganz einfaches: Es spricht die niederen Instinkte des Zuschauers an. Dieser kann sich darüber lustig machen, wie C- und Doppel-D-Prominente, die das Geld und die Publicity bitter nötig haben, an zähen Känguru-Penissen herumwürgen und dabei den hämischen Kommentaren der Moderatoren ausgesetzt sind. Was bringt einen halbwegs gebildeten Menschen dazu, sich zwei Wochen lang täglich anzusehen, wie die Dschungelbewohner gemachte Brüste in die Kamera halten, sich über die Schrumpfhoden von Sylvester Stallone auslassen und bei Bohnen und Reis langsam, aber sicher total verwahrlosen?

Die Antwort ist simpel: „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ ist eine hervorragend produzierte Show, die durch ihre beißende Ironie das Gefühl der intellektuellen Überlegenheit beim Zuschauer hervorruft. Anders als andere Reality-Sendungen des so genannten Unterschichtenfernsehens gibt das Dschungelcamp nicht vor, die Grenzen des guten Geschmacks zu wahren – es ist Trash-TV vom Feinsten und deswegen gerade auch bei höher gebildeten Zuschauern so beliebt.

Ehrlichkeit zahlt sich aus
Schadenfreude ist bekanntlich die schönste Freude. Doch die Beliebtheit des Dschungelcamps hat noch einen zweiten Grund: die Sehnsucht nach ehrlichem Fernsehen. Denn egal, wie (un-)bekannt die Teilnehmer sind und wie sie sich im Laufe der Sendung versuchen, darstellen: Wer einen halben Liter Kotzfrucht-Shake trinken muss oder sich in einer Schlangengrube lebendig begraben lässt, der kann sich nicht mehr verstellen, der ist zumindest für einen Moment lang echt. Und echte Menschen sind im Fernsehen heutzutage eine ziemliche Seltenheit, trotz oder gerade wegen der vielen „Reality“-TV-Formate, in denen jede Szene gestellt ist.

Die neue Staffel verheißt also einmal mehr, zu einem modernen Klassiker des Unterhaltungsfernsehens zu werden. Bereits das Casting der Teilnehmer ist vielversprechend: Ein ehemaliger Tatort-Kommissar, ein Möchtegern-Model und ein Ex-Porno-Sternchen, kombiniert mit der Resterampe der RTL-eigenen Sendungen „Der Bachelor“ und „DSDS“ – eine hoffentlich explosive Kombination. Dass der Sender aus diesen zutiefst uninteressanten Personen eine unterhaltsame Sendung basteln kann, ist das Geheimnis des Dschungel-Erfolgs.

Einschalten ist also Pflicht, nicht nur für eingefleischte Dschungel-Fans, sondern auch für diejenigen, die, wie ich, genug von schlechtem Fernsehen haben. Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, bis es endlich wieder heißt: „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“

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(Text: Anja Menzel / Foto: Alexander Ullmann by jugendfotos.de)

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