KulturLife & Art

Von Kräutern und Wasserdampf

Während es wieder kalt in Deutschland wird, greifen Krankheitserreger wieder um sich. Da die Praxisgebühr noch nicht abgeschafft ist, scheuen viele den Gang zum Doktor und benutzen alte Weisen, die Oma schon vor Jahrzehnten angewendet hat. Doch welche nützen wirklich etwas?


„AUA!” Den heißen Topf zu lange an den Fingern gehabt? Als meinem Opa das passiert ist, fasste er blitzschnell an sein Ohrläppchen – und direkt danach hielt er die Finger unter fließendes, heißes Wasser. Verdutzt fragte ich nach: „Dein Ohr leitet die Hitze blitzschnell ab, und das kurze Drüberlaufenlassen von heißem Wasser verhindert, dass sich eine größere Verbrennung bildet. Schau nicht so komisch, das ist so.”

Seltsam blickte ich in der Tat – als mir dann ein Streichholz eine Woche später die Kuppen ansengte und nach der Ohrbehandlung den Wasserhahn aufdrehte merkte ich, wie der Schmerz nachließ, sich viel mehr verteilte und schließlich auflöste.

Die meisten von uns kennen diese Methoden aus der Kindheit. Ein paar nützliche werden hier vorgestellt. Zu beachten ist, dass all diese Vorschläge kein Ersatz für eine ärztliche Behandlung sein können. Vielmehr dienen sie zur Unterstützung der Genesung und zur Steigerung des Wohlbefindens.

Erkältungen & Grippe
Die folgenden Handlungen dienen der Fiebersenkung und dem Befreien der Atemwege.

Wadenwickel:
Zwei Baumwolltücher werden, mit lauwarmem Wasser befeuchtet, auf die Unterschenkel gelegt. Durch die Wärme im Körper verdunstet das Wasser, und senkt die Körpertemperatur ab 39 °C um 1 bis 1,5 Grad in 60 bis 90 Minuten. Da das Eiweiß im Körper ab 42 °C degeneriert, sprich lebenswichtige Enzyme im Körper absterben, ist diese Methode neben dem klassischen Zäpfchen eine zuverlässige Methode, um dem Patienten vor der zu starken Überhitzung zu schützen.

Inhalieren:
Salbeibonbons, Isla Moos und GeloMyrtol sind Produkte, die mit Kräutern den Schleim lösen sollen. Doch man muss nicht unbedingt Substanzen lutschen und kauen, um von den Wirkstoffen zu profitieren – ein Topf mit heißem, nicht kochendem Wasser reicht auch aus.

Kamilleblüten, Thymian, Eukalyptus, ein paar Tropfen vom ätherischen Öl in das Behältnis, Kopf darüber halten, und eine Decke über den Kopf, die Wirksamkeit merkt man sofort. Etwa 15 Minuten inhalieren, Augen dabei geschlossen halten. Guter Nebeneffekt: Der Wasserdampf und die Öle wirken gegen Pickel und Akne.

Warzen
Eine Behandlung gegen den seltsamen Fleck auf der Haut sieht normalerweise so aus: man geht zum Hautarzt. Der setzt a) ein Vereisungsspray an; b) die Betäubungsspritze in der betroffenen Partie an (sehr schmerzhaft) und schneidet dann mit einem Schaber den Makel von der Hautoberfläche. Nicht sehr angenehm.

Natürlich gibt es dann noch Produkte aus der Drogerie – die natürliche Variante befindet sich aber am Wegesrand, im Volksmund „Warzenkraut” genannt. Diese Pflanze mit der charakteristischen gelben Blüte besitzt einen Saft, der beim mehrwöchigen täglichen Auftragen auf die Hautpartie die Warze schrumpfen und schließlich verschwinden lässt.

Die giftigen Wirkstoffe des Schöllkrauts wirken gegen Bakterien und Viren und töten somit die Ursache für das Geschwulst ab. Die Sprossachse der Pflanze wird dazu durchtrennt und die Bruchstelle, bei der der Pflanzensaft bereits sichtbar ist, auf die Haut getupft. Jedoch sollte die Pflanze nicht mit den Schleimhäuten oder den Augen in Berührung kommen.

Unruhe und Stimmungsschwankungen
Gegen Lampenfieber, Prüfungsstress und Wachheit vorm Einschlafen können verschiedene Kräuter helfen. Melisse, am besten ein Extrakt für das Vollbad, Baldrian als Tropfen aus der Apotheke, oder Lavendel als Geruchsöl in Kerzen und im Taschentuch helfen.

Gegen Melancholie hilft nachweißlich Johanniskraut – eine natürliche Alternative zu Antidepressiva, die allzu oft mit starken Nebenwirkungen behaftet ist. Für die Damen ist ein Nachtkerzentee eine Möglichkeit, gegen gegen Menstruationssymptome Abhilfe zu schaffen.

Hautpflege
Schon Kleopatra hat ja in Milch gebadet. Auch heutzutage sind Produkte mit Avocado, Jojoba-Öl und Aloe Vera beliebt, doch man benötigt nicht teure Kosmetika dafür. Zum Beispiel wirken aufgekochte Lindenblüten, abgeseiht, für weniger Falten und ein strahlendes Antlitz. Ein Tuch wird dazu in den Sud getaucht, anschließend tupft man mit diesem die Haut zweimal am Tag ab. Auch eine Mischung aus Olivenöl und Zitronensaft, die mit Quark zu einer Maske angerührt wird, sorgt für reine und straffere Haut. Man fühlt dies auch.

Durch das Internet lassen sich noch viele weitere Tipps und Traditionen zu Tage führen. Dieses Medium ist die Möglichkeit, Wissen unserer Vorfahren zu bewahren und zu teilen.  Leider gibt es oft genug Fälle, in denen der Arztbesuch hinausgezögert wird, weil Patienten sich durch „Online-Behandlungen” und „-diagnosen” in Sicherheit wähnen. Wikipedia hat einen nicht kleinen Anteil daran.

Da es allerdings ein leichtes ist, selber eine Webseite aufzusetzen, Texte zu schreiben, Bilder zu schießen und zu manipulieren ist jedoch Vorsicht geboten. Und auch wenn mein Opa weiterhin an sein Ohrläppchen fassen wird, wenn er sich mal wieder seinen Finger an Omas Topf verbrennt – den Mediziner, der zum Patienten auch ein persönliches Verhältnis hat, kann eine improvisierte Selbsttherapie zuhause mit Kräutern und Online-Rat nicht ersetzen.

(Text: Eric Elert)

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