KulturLife & Art

Überall und nirgendwo

Eigene vier Wände machen den Menschen frei. Doch ein Haus ist noch kein zu Hause. Von einer Reise aus Bamberg nach München und Berlin weit weg von zu Hause nur um wieder heim zukommen.[divide]

Es ist ein grauer Morgen. Der frische Wind bläst durch das noch junge Jahr, als sich der Zug gen Bamberg aufmacht. Weihnachten zu Hause war schon, doch es bleibt nur ein Gedanke. Endlich weg, endlich wieder in die eigenen vier Wände. Schön liegt meine Wohnung mit Blick über die weiten Felder und einen großen Balkon. Hier erstrahlen die Sonnenstrahlen jeden Morgen. Es ist Zeit fürs Aufstehen. Niemand stört, niemand sagt, was zu tun ist.

„Hier bin ich Mensch hier kann ich sein. Ein eigener kleiner Kosmos für mich allein“

meine adresse - unterwegs

Wohnen in vier Wänden in vielen Welten

Aber ich bin nicht gekommen um zu bleiben. Am Ende des Raumes steht der rote Koffer und lacht mich einladend an. Verschieden Praktika werden mich zunächst für einen Monat nach München und dann für einen Sommer nach Berlin führen.. Ab jetzt wird der rote Koffer mein ständiger Begleiter sein. Meine Adresse lautet fortan: Unterwegs. Auf geht es in das große Abenteuer. Mit Herzklopfen empfängt mich die Weltstadt mit Herz.

Für einen Monat wird München meine Stadt sein. Es fühlt sich fremd an, unvertraut. Außer meinem Vermieter kenne ich noch niemanden. Aber seine Welt werde ich kennen lernen, denn sein Zimmer in einem Wohnheim ist für die nächsten Wochen mein Domizil. Kaum das Zimmer übernommen, schon klopft es an der Tür. Die Nachbarn stellen sich vor. Der Fernsehraum wird zum Wohnzimmer, der allabendliche Treffpunkt. Bald wird aus fremd familiär, man kennt sich und unterhält sich. München, die Weltstadt öffnet ihr Herz.

Doch es heißt schon wieder Abschied nehmen, das nächste Ziel wartet: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“

Ein Sommer in Berlin.

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Doch dieser ist bald ausgezogen. Berlin, Berlin, du bist so wunderbar, wird die Metropole an der Spree besungen. Doch es ist nicht alles hip, was Retro ist. Nur einige knarrende Türen trennen die Bewohner. Die Kreuzberger Wohngemeinschaft vermittelt den Charakter einer Notgemeinschaft, einer Zweckgemeinschaft. Jeder Austausch ist auf Streit um Putzen und das allernötigste beschränkt, aber nicht für ein gutes Gespräch gedacht. Gemeinsam und doch einsam wächst ein Entschluss.

So möchte kein Hund länger leben, darum habe ich mich ins Hostel begeben. Anonym und nicht von Dauer ist die Atmosphäre. Es ist ein Dach über dem Kopf zum hausen, aber nicht zum Wohnen und schon gar kein zu Hause. Hier kann ich nicht bleiben. Ich will wieder heim.

Am Ende eines langen Ganges ist eine Tür. Dahinter stehen ein Bett, ein Tisch und ein Schrank. Das ist mein Zimmer im Wohnheim, das ist Berlin. Ein Raum, der so nüchtern und doch bald so vertraut ist. Langsam füllen sich die Regale mit persönlichen Dingen mit Erinnerungen. Sie sind Spuren eines Besuchers, der abends zum Schlafen kommt, doch ein Besuch der immer wieder gerne kommt. Das Leben spielt sich im Freien draußen ab. Die ganze Stadt ist ein großes Wohnzimmer, wo sich die Welt versammelt. Die Stadt ist Treffpunkt für Freunde und Freude. Bei allen Erlebnissen und Eindrücken die Berlin bietet, gibt es nun einen Ort, um nur für sich zu sein. Mitten in all dem Trubel bin ich endlich daheim und doch zu Hause, wenn auch nur für eine gewisse Zeit.

Auf einmal ist es Oktober und die ersten Herbststürme kündigen das Ende des Sommers an. Wie die Zugvögel ziehe auch ich gen Süden. Berlin verabschiedet sich mit einem lachenden Auge auf zu Hause freuend, aber auch mit einem weinenden Auge, an die vielen Menschen und Erlebnisse denkend, die so vertraut geworden sind.

Wohnen, was für eine Wonne

Unberührt empfängt mich mein Zimmer, als ob ich es gerade erst verlassen hätte, obwohl fast ein Jahr vergangen ist. Alles still und ruhig stehen Möbel und lieb gewonnene Dinge dar, doch scheinen sie zu sagen: „Willkommen zu Haus“. Ausgezogen bin ich in die weite Welt nur um nach Hause zu kommen und die Koffer abzustellen, endlich anzukommen. Wohnen kommt von wonen, zufrieden sein. Wohnen heißt sesshaft werden, wenn es auch nicht von Dauer ist.  Ob Schreibtisch oder Apartment, wichtig ist das man sich wohl fühlt.  Aber man lebt nicht von der Wohnung allein, es sind die Menschen mit denen man seine Zeit verbringt. Gute Freunde machen aus einem Dach über dem Kopf etwas, was einem im Kopf bleibt.

Nun sitze ich da, voller Erinnerungen und blicke auf die turbulente Zeit zurück. Dabei denke ich mir:

„Ich hab noch einen Koffer zu Hause. Da muss ich bald wieder raus, denn daheim, da ist es doch am Schönsten.“

Stephan R.

Stephan interessiert sich für Warum und die Welt: Seit 2014 gehe ich für backview.eu scheinbar alltäglichen Dingen auf den Grund, betrachte warum manches so ist wie es ist. Wenn ich nicht gerade an einer neuen Idee für einen Artikel sitze, beschäftige ich mich gerne mit Fotographie oder Fremdsprachen oder widme mich meinen Politikstudium.

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