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Über das klebrige Gefühl, das wir Liebe nennen

Für Daniel Hitschmann und Brigitte Moshammer-Peter ist die Liebe wiederkehrendes Thema ihrer Arbeit. Beide bieten in Wien unter anderem Psycho- und Paartherapie an und wissen was es heißt, wenn sich ein Paar wegen Rechnungen oder Socken streitet. Im Interview verraten sie backview.eu ihre Meinungen über das Gefühl, das manchmal an uns haftet wie klebriger Kaugummi.[divide]

Anna Luther: Wie begegnet uns Ihrer Meinung nach Liebe im Leben?

Hitschmann: Liebe kann uns nach den alten Griechen in Eros und Agape begegnen. Dabei symbolisiert der Eros das Fordernde und Sexuelle und steht für Gefühle mit Ablaufdatum. Hingegen Agape ist die Figur der Aufopferung, Fürsorge und des Mitgefühls.
Moshammer-Peter: Immer wieder. Da geht es immer um die Frage über welche Liebe wir reden, es gibt die partnerschaftliche Liebe, die geschlechtliche Liebe, die Liebe zwischen Eltern und Kindern, die Nächstenliebe oder auch die Liebe, die es zwischen Freunden gibt. Die Liebe ist so vielfältig, dass sie uns auf unzähligen Ebenen ständig begegnen kann – nicht muss. Sie begegnet und mit offenen Augen sicher öfter als man glaubt.

interview

Haben Sie eine Definition für die Liebe?

Hitschmann: Nein, denn Liebe ist etwas sehr individuelles. Sie kann für einen Menschen eine bestimmte Klausel im Kopf sein, Schmetterlinge im Bauch oder für den anderen ist Liebe gleich Gott.
Moshammer-Peter: Liebe in ihrer Kernbedeutung würde ich so auffassen: Wenn man jemanden liebt, obwohl man ihn mit all seinen Facetten kennt.

Was ist das Gegenteil von Liebe?

Hitschmann: Die Abwesenheit von Liebe ist der Hass.
Moshammer-Peter: Diesbezüglich gibt es für mich mehrere Begriffe wie Hass, Ignoranz oder Verachtung. Es bedeutet eine Person in ihrer Gesamtheit zu verurteilen ohne auf eventuelle positive Eigenschaften zu achten.

Ist jeder Mensch liebenswürdig?

Hitschmann: Ja. Die Liebenswürdigkeit ist bei jedem Menschen bei der Geburt vorhanden, jedoch kann das Umfeld uns dazu bringen, anderen Schaden zuzufügen.
Moshammer-Peter: Ich denke, dass jeder Mensch liebenswürdige Seiten hat. In jedem Mensch gibt es etwas, was durchaus liebenswürdig und liebenswert sein kann.

Mit welchen Problemen beschäftigen sich Menschen, die zu Ihnen in die Paartherapie gehen?

Hitschmann: Es gibt da sehr vielfältige Probleme und Beweggründe um eine Paartherapie zu beginnen, manchmal will das Paar beispielsweise nachprüfen, ob sie wirklich nicht mehr zusammen passen. Damit eine Beziehung gelingt, braucht es grundlegend sieben Faktoren: Es zählen Liebe, ein ausgeglichenes Machtverhältnis, ähnliche Vorstellungen vom Sinn des Lebens, genügend Zeit für sich Selbst und dem Anderen, Konsens in der Raumgestaltung, im Ordnunghalten und in der Sauberkeit, Gleichgewicht im Geben und Nehmen von materieller und immaterieller Energie und Loyalität sowie Vertrauen dazu.
Alle Faktoren sind wichtig. Es kam schon vor, dass sich ein Paar wegen Socken, die am falschen Platz lagen, trennen wollten.

Moshammer-Peter: Vielfältigste! Eines der häufigsten ist, dass das Paar sich schlichtweg auseinander gelebt hat. Man glaubt, wenn man sich verliebt, dass alles wunderbar ist und man zusammen bleiben will. So einfach ist es nicht, denn wenn man für eine Beziehung nichts tut, dann wird sie automatisch schlechter – dafür nämlich braucht man nichts tun. Meistens verliebt man sich in jemand, der vorerst einmal fremd ist.
Das heißt, ich kenne relativ wenig von dem und projiziere relativ viel rundherum. Da rede ich jetzt nicht von Fällen der Sandkastenliebe. Beim Kennenlernen einer neuen Person, in die man schrecklich verliebt ist, stellt sich dann irgendwann heraus, dass man sich geirrt hat. Die reale Person hat vielleicht Eigenschaft, die ich mir so gar nicht phantasiert habe. Die Meisten erkennen ihre eigenen Projektionen nicht und geben ihrem Partner die Schuld.

Weitere Informationen über Daniel Hitschmann und Brigitte Moshammer-Peter.

(Interview: Anna Luther / Fotos: privat)

Anna L.

Anna Luther schreibt seit Februar 2015 bei backview.eu und interessiert sich für gesellschaftliche, kulturelle und politische Thematiken. Sie studiert in Wien Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Philosophie.

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