International

Stellung beziehen – vom Vergessen des Olympischen Gedanken

Nach dem brutalen Vorgehen der chinesischen Regierung in Tibet und internationalen Protesten setzt sich nun ein munterer Meinungsaustausch in allen Herren Ländern der Welt in Gang. Letzten Samstag verwirrte in Frankreich der für Menschenrechtsfragen zuständige Minister Rama Yade in einem Zeitungsinterview die Bevölkerung mit einer Erklärung. Demnach werde Nicolas Sarkozy nur unter der Bedingung an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele teilnehmen, wenn China einen Dialog mit dem Dalai Lama aufnehmen würde. Bereits am Nachmittag dementierte Yade, das Wort „Bedingung” benutzt zu haben.

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In den USA hatte am Montag die mögliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, den amtierenden Präsidenten George W. Bush dazu aufgefordert, die Eröffnungszeremonie zu boykottieren. Dessen Pressesprecherin betonte nur einen Tag später, dass Bush zu keinem Zeitpunkt vorhatte zur Zeremonie zu fahren, jedoch daran festhielte, zu den Spielen im August zu reisen.
Deutschland erklärte bereits vor einiger Zeit, man werde der Eröffnungsfeier nicht beiwohnen, da man dies von Anfang an nicht geplant hatte. Am Mittwoch wird Manfred von Richthofen, Ehrenpräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, vor dem Sportausschuss des Bundestages zu Menschenrechtsverletzungen in China und der Diskussion um die Durchführung der Olympischen Spiele Stellung beziehen. Außerdem findet am Donnerstag im Bundestag eine Aktuelle Stunde über die Menschenrechtsverletzungen in Tibet statt.

Auch aus Deutschland hört man derzeit unterschiedliche Stellungnahmen. Während Altpräsident Horst Klee indirekt zum Boykott der Spiele aufrief, erklärte der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pötting, dass eine endgültige Boykottaussage verfrüht wäre. Günter Nooke, Menschenrechtsbeauftragter des Bundestages, erklärte, man solle die breite Öffentlichkeit nutzen, um Kritik an China auszusprechen.
Selbst Nichtregierungsorganisationen wie amnesty international und Human Rights Watch sprachen sich zunächst gegen einen Boykott aus, um die Fortschritte in China bei den Menschenrechten nicht zu gefährden. Allerdings gibt es auch Länder, die den chinesischen Kurs unterstützen. Laut der offiziellen Presseagentur Chinas Xinhua hätten sich unter anderem Russland und Pakistan für die „rechtmäßigen Aktionen” in Tibet ausgesprochen und gegen die „Politisierung der Olympischen Spiele”.

Ratloser Sport
Genau an diesem Punkt scheiden sich auch die Geister aus dem Sport. Während das Internationale Olympische Komitee (IOC) wiederholt davon sprach, der Sport habe nichts mit Politik zu tun, regt sich bei einigen Athleten das Bedürfnis Stellung zu beziehen. Doch genau dies könnte ihnen zum Verhängnis werden.
laut der Olympischen Charta sind politische Äußerungen innerhalb der Sportstätten untersagt. Das deutsche Mitglied des IOCs, Walther Tröger, drohte den deutschen Olympiateilnehmern bereits mit dem Ausschluss von den Spielen, sollten sich diese nicht daran halten. Doch dies ist das falsche Signal an China, welches sich dadurch im Recht wähnt.

Viele Sportler denken bei den jüngsten Diskussionen allerdings auch an den Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau. Dieser fand damals aufgrund des Einmarsches der Sowjetunion in Afghanistan und den darauf folgenden Druck der westlichen Regierungen auf die Athleten statt. Da der Ausschluss damals nichts nutzte, sondern nur den Boykott der nächsten Olympischen Spiele in Los Angeles durch die meisten damaligen Ostblockstaaten zur Folge hatte, sehen die Meisten darin nur die Gefährdung ihrer Teilnahme an den Spielen, ihrem Lebenstraum, und halten sich lieber zurück.

Doch es gibt auch mutige unter ihnen, die nach Lösungen suchen die Regeln der Olympischen Charta zu umgehen. So wurde ein Armband ins Gespräch gebracht, auf denen „sport for human rights” steht oder auch die Schweißarmbänder von amnesty international mit der Aufschrift „Gold für Menschenrechte”.
Diese wollen einige Sportler während der Wettkämpfe tragen. Ob dies auch rechtens ist, wollen sie vorher mit dem IOC besprechen. Doch dieser, offensichtlich orientierungslos und völlig überfordert mit der Situation, redet weiterhin lediglich davon, sich nicht in die Politik einmischen zu wollen. Die Sportler fühlen sich zu Recht allein gelassen und hoffen trotzdem auf baldige Klärung und Stellungnahme des IOC.

Zuspruch kommt allerdings aus der Politik. Der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, Dr. Peter Danckert, forderte die Athleten zur Kritik auf und neben ihren Wettkämpfen auch politisch zu werden. Und auch der heute vor dem Bundestag aussagende Richthofen forderte klare Worte der Kritik an China seitens des IOC zur Tibet-Thematik.

Zuletzt mehrte sich die Kritik an der Haltung des IOC. Es hätte viel zu lange für selbstverständlich gehalten, dass sich aufgrund der Ausrichtung der Olympischen Spiele Chinas Haltung gegenüber Menschenrechtsverletzungen automatisch bessern würde. Man hätte die Vergabe der Spiele an Bedingungen knüpfen können, doch nun ist der IOC machtlos und es ist fast zu spät, mit einer Änderung des Verhaltens etwas zu ändern.
Am Freitag will der IOC über einen Abbruch des Fackellaufs zu beraten, da aufgrund der massiven Proteste gegen Chinas Tibet-Politik es immer wieder zu Unterbrechungen kam. Wird dies passieren, wird das der erste Schritt sein, den derzeit massiven Druck der Öffentlichkeit von China zu nehmen.

(Text: Sina Mühling)

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