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Retrokiste: “Bedeutung des Dalai Lama”

Jeden Monat wirft back view einen Blick in die Vergangenheit der Redaktion. Aus der virtuellen Retrokiste kommt aus dem April 2008 ein Artikel von Miriam Keilbach zum Dalai Lama – damals noch die einzige weltliche und geistliche Führung Tibets.[divide]

“Zur Bedeutung und Person des Dalai Lama” vom 9. April 2008:
Nicht nur religiös sondern auch politisch stellt der Dalai Lama das Oberhaupt der Tibeter dar – und das schon seit 1578. Sein Herrschaftsbereich gilt größtenteils für die beiden kulturhistorisch bedeutendsten Gebiete Tibets, Ü-Tang, die sich aus dem Gebiet Ü – in der die tibetische Hauptstadt Lhasa liegt – und der Region Tsang zusammensetzt. Als Wiedergeburt Tschenresis (Buddha des Erbarmens), der auf seine eigene Erlösung verzichtete und wiedergeboren wird, bis alle Menschen erlöst sind, hat der Dalai Lama eine große Verantwortung für das tibetische Volk.„Seine Heiligkeit” wird als Mensch angesehen, der sich dafür entschieden hat, anderen Wesen zu dienen. Als erleuchtetes Wesen (Bodhisattya) hätte er den Kreislauf der Wiedergeburt verlassen können, doch aus Mitgefühl hat er sich entschlossen, durch Reinkarnation wieder in das Leben zurückzukehren.

Eigentlich sind Dalai Lamas Mönche des tibetischen Buddhismus der Gelug-Schule, die jüngste der vier Hauptschulen, dessen Oberhaupt Ganden Tripa ist. Der aktuelle Dalai Lama ist also nicht, wie oft gedacht, der Anführer. Der Dalai Lama wird von Mönchen der Gelug-Schule ausgewählt. Eine Findungskommission, macht sich auf, Neugeborene zu suchen, bei deren Geburt etwas Ungewöhnliches geschehen sein soll. Diese Kleinkinder erhalten von den Mönchen diverse Aufgaben, um die Fähigkeiten der Babys zu testen. So soll herausgefunden werden, welches der Neugeborenen die Reinkarnation des zuvor verstorbenen Dalai Lamas ist. Der derzeit lebende Dalai Lama, Tenzin Gyatso, soll beispielsweise persönliche Ritualgegenstände des verstorbenen Dalai Lama wiedererkannt haben.
Retrokiste

Wenn der Kandidat zur Nachfolge des Dalai Lama feststeht, wird eine klösterliche Ausbildung vollzogen. Kultur, Sprache, Schrift und vieles mehr steht auf dem Stundenplan des Kindes. Der Stoff wird von Panchen Lama gelehrt, der eine hohe Autorität im Gelug-Orden genießt. Tenzin Gyatso wurde am 6. Juli 1935 unter dem Namen Lhamo Thondup als Sohn einer Bauernfamilie in der Provinz Amdo geboren. Er wuchs zusammen mit zwei Schwestern und vier Brüdern auf (sein jüngster Bruder ist ebenfalls als Wiedergeburt eines Lamas erkannt worden) und half auf dem Bauernhof der Eltern mit.
Als Lhamo Thondup zwei Jahre alt war, wurde ihm zugesprochen, die Reinkarnation des 13. Dalai Lamas zu sein. Mit vier Jahren eroberte er den Potala-Palast in Lhasa, am 22. Februar 1940 wurde er durch die Sitrigasol-Zeremonie offiziell zum 14. Dalai Lama und hieß ab sofort Jetsun Jamphel Ngawang Lobsang Yeshe Tenzin Gyatso.

Am 15. November 1950 die Herrschaft über Tibet übernehmen, da die chinesische Volksbefreiungsarmee im Land hinter dem Himalaya einfiel. Am 10. März 1959 gab es einen Volksaufstand des tibetischen Volks, der in den folgenden eineinhalb Jahren etwa 90.000 Tote auf Tibeter Seite forderte. Nach dem Rat des Nechung-Orakels sah der Dalai Lama sich gezwungen, ins Exil nach Dharamsala in Indien zu fliehen und sein Land von dort aus zu regieren, mit dem Ziel, das Leid der Tibeter zu verringern und eine breitere Öffentlichkeit auf das Elend der Tibeter aufmerksam zu machen. Bereits 1963 stellte er eine demokratische Verfassung vor, die von China nicht anerkannt wurde. Er selbst hätte in dieser Verfassung lediglich eine repräsentative Pflicht.
1989 erhielt der 14. Dalai Lama den Friedensnobelpreis. Schon 1954/55 reiste seine „Seine Heiligkeit” nach Peking, um das Gespräch mit Mao Tse-Tung und anderen Verantwortlichen auf chinesischer Seite zu suchen, um eine friedliche Lösung für die Tibetfrage zu finden. Aber die Konversation endete ohne Ergebnis. Dennoch versucht der Dalai Lama weiterhin, den Dialog mit China zu suchen, bisher weigerte sich die chinesische Führung allerdings und stellte klar, dass sie mit dem Dalai Lama nicht verhandeln wollten.

Neben seiner Aufgabe als Oberhaupt der Tibeter ist der 14. Dalai Lama sehr um die Beziehung der Menschen untereinander bemüht, religiös wie allgemein, in Tibet wie auf der ganzen Welt. Er reiste rund um den Globus, hielt Vorträge und schrieb Bücher und Artikel. Obwohl er buddhistischer Mönch ist, ist der Dalai Lama als Freund des Christentums bekannt. So reiste er des Öfteren in den Vatikan und hatte eine persönliche Freundschaft mit Papst Johannes Paul II.

back view-Webtipp: http://www.dalailama.com/

(Text: Miriam Keilbach / Zeichnung: Christina Koormann)

Miriam K.

Miriam war 2007 im Gründungsteam von backview.eu. Sie volontierte beim Weser-Kurier in Bremen und arbeitet seit 2012 als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau. Ihre Themen: Menschen, Gesellschaft, Soziales, Skandinavien und Sport.

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