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RAF-Reloaded

Ein Gespenst zieht durch Deutschland und sorgt für Angst und Schrecken. Zumindest den vermeintlich gut bürgerlichen, jedenfalls aber dem schwarz-gelben Spektrum kommt das ziemlich gut gelegen. Dort war die Sehnsucht nach einem geschlossenen Feindbild deutlich spürbar.


Die Brandsätze in ganz Berlin kommen der gebeutelten Bundesregierung gerade recht. So etwas sorgt für Geschlossenheit und ein Gemeinschaftsgefühl in den so scheinbar schweren Zeiten für Konservative. Zeiten, in denen selbst eingestandene Profitnutzer des Kapitalismus ihn für gescheitert erklären, da kommen Brandsätze an Bahnhöfen und Bahngleisen zu einem günstigen Moment.

Zehntausend von Verspätung und Zugausfällen betroffene Reisende, 2 000 verspätete Züge, 100 000 Euro als Belohnung auf Hinweise zu den Tätern – geht es nach Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann ist das alles ein Akt des linken Terrors. Der Linksextremismus eskaliere zum Linksterrorismus, meint er und prophezeit Mordanschläge.

Nachdem in Berlin 16 Brandsätze an Bahnstrecken gefunden wurden, äußerten sich vor allem auch weitere Politiker aus dem konservativen Reihen zu dem Geschehen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sprach von „verbrecherischen, terroristischen Ansätzen einer neuen Dimension” und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sieht gleich die gesamte Demokratie bedroht. „Seit Jahren wird der Linksextremismus von vielen verharmlost”, so der Christdemokrat.

Die Linken selbst lehnen Vergleiche mit der RAF ab. Halina Wawzyniak, Vizevorsitzende der Linken, erklärt: „Wer Sprengsätze wirft und Brandsätze hinterlegt, ist nicht links, sondern ein Straftäter. Gewalt ist grundsätzlich kein Mittel der Politik, auch keins linker Politik.” Für Berlins Bürgermeister Wowereit (SPD) deutet auch nichts auf einen neuen Linksterrorismus hin.

Klar ist mittlerweile jedoch: In einem Onlinenachrichtenportal hatte sich vergangene Woche eine Gruppierung namens „Hekla-Empfangskomitee” zu der Tat bekannt. Als Begründungen für die Taten wurden von der Gruppe unter anderem deutsche Rüstungsgeschäfte und „10-Jahre Bundeswehr-Krieg in Afghanistan”, aber auch Kinderarmut und die Kürzung von Hartz-IV-Sätzen genannt.

Auch, wenn die Motive richtig sind, ist diese Protestform falsch. Bereits jetzt zeigt sich: Die Täter haben mit den Anschlagserien in und rund um Berlin keine Verbesserung der Zustände bewirkt, stattdessen haben sie die politischen Gegner gestärkt. Sie unterstützten den Zusammenschluss des schwarz-gelben Lagers gegen einen vermeintlich neu aufflammenden Linksterrorismus, den es zu unterbinden gilt. Der Staat konnte schon immer in Zeiten der Apathie und Angst seine Bürger ihrer Rechte berauben, neue RAF-Visionen der Konservativen kommen da gerade gut gelegen.

(Text: Benjamin Eichler)

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