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“Traube-Nuss, Nuss-Traube – du taube Nuss!”

Regelmäßig bringt der „Kampf der Künste” in Hamburg vom Poetry Slam über den Singer Slam bis hin zu dem von back view-Redakteurin Ronja Heintzsch am 18. Januar besuchten Theater Slam Veranstaltungen auf die Bühne, bei denen Improvisation und Kreativität im Vordergrund stehen. back view berichtet von nun an monatlich über das neue Wunder in der Kulturlandschaft.[divide]

Selbstironisch und witzig beginnt die Vertretung des Slam-Veteranen Michel Abdollahi, Marc-René Hübscher („Der Name war Willkür meiner Eltern”), seine Moderation des dreizehnten Theater Slams im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. Vier Schauspieler wurden geladen, um in verschiedenen Spielen ihr Improvisationstalent unter Beweis zu stellen. Vor Beginn des ersten Spiels werden jedoch die obligatorischen Blöcke an fünf freiwillige Zuschauer verteilt, die sich als objektiv ansehen, jedes Spiel im Anschluss mit einer Punktzahl von null bis zehn zu bewerten.

Gemäß dem Motto „Hexen, Ritter, Mittelalter” ist der Malersaal entsprechend gestaltet: An den Wänden hängen Helme, auf der Bühne liegt ein Sammelsurium aus metallenen Wannen und übergroßen Ritterhelmen herum. Gemäß dem Motto beginnt auch das erste Spiel. Hierfür fragt Marc-René Hübscher das Publikum nach einem Wort, das als Titel für eine fortlaufende Geschichte, erzählt von den vier Schauspielern, dienen soll. „Ritter Sport” wird ausgewählt und die vier Schauspieler beginnen, die Geschichte einer Frau zu erzählen, die aus Liebeskummer eine Tafel nach der anderen verschlingt. Daniela hat eine Vorliebe für die Sorte „Traube-Nuss” und Wortspiele wie „Traube-Nuss, Nuss-Traube, du taube Nuss” sorgen bereits für Lacher im Publikum.

Für das zweite Spiel wird ein Adjektiv auf „lich” gesucht, wobei die Wahl auf „widerlich” fällt. Dieses Mal stellen die Schauspieler eine Szene da. Während sein jüngerer Bruder sich die Schuhe auszieht, hilft einer der Akteure seiner sich übergebenden Schwester, die sich von dem Film um Sylvester Stallone noch nicht ganz erholt hat. Als die Mutter erbost ins Geschehen platzt und fragt, wer sich ins Klo übergeben habe, nimmt ihr älterer Sohn die Schuld auf sich, wie er es immer tut. Nach langer Abwesenheit kehrt er zehn Jahre später wieder mit den Worten: „Ich heiße nun Neujahr.” Trotz dieser genialen Idee schafft es das zweite Spiel nur auf 17,2 Punkte, die schlechteste Bewertung des Abends.

In dem dritten Spiel stellen zwei der Akteure eine Szene nach, die von den zwei weiteren Schauspielern über Mikrofone synchronisiert wird. Das Genre, das hierfür aus dem Publikum vorgeschlagen wird, ist „Soap”. Somit finden sich die beiden Protagonisten der Szene, Sara und Jürgen, schnell in einem Wirrwarr aus Beziehungskonstellationen à la GZSZ und einer HIV-Erkrankung Jürgens wieder. Gestik und Mimik der zwei Schauspieler parodisieren dementsprechend das schauspielerische Talent jener Soap-Darsteller, ebenso ironisch erfinden die Synchronsprecher ihre Geschichte und bekommen letztendlich 25,8 Punkte.

Für die vierte Improvisation wird das Genre „Horror” gewählt, unpassend dazu jedoch eine Burlesque-Tänzerin als Hauptdarstellerin. Anfangs noch nicht richtig im Genre, beschreiben die Schauspieler die Eifersüchteleien zweier Tänzerinnen, die von dem homosexuellen Clubbesitzer beschwichtigt werden. Im Publikum der Abendvorstellung sitzt jedoch nur ein Mann, der alle Karten gekauft hat und sich zu allem Unglück als Mann der eifersüchtigen Tänzerin entpuppt. Während ihre Gegenspielerin für ihn tanzt, ist sie aufgebracht, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihr Mann zu einem Zombie mutiert. Er bäumt sich auf und stellt sich als Jürgen vor, von Beruf Kindergärtner, der nun auf der Suche nach Kindern ist. Ich bringe Tränen lachend meine Notizen zu Papier. Die drei Schauspieler beknien den Zombie Jürgen, der ihnen den Kopf tätschelnd und „Ei, ei ei” grummelnd erzählt, was „Onkel Jürgen” nun vorhabe. Diese komödiantische Interpretation des Horror-Genres wird leider nur mit 20,2 Punkten belohnt.

Nach der anschließenden Pause begrüßt Marc-René Hübscher das Publikum mit einem seiner Poetry Slams zurück. Dieser handelte von seiner Wenigkeit, da er „an diesem Abend zu kurz gekommen” sei.

Gleich im Anschluss daran folgt das fünfte Spiel, das den Namen „Schreibmaschine” trägt. Einer der Schauspieler erfindet eine Geschichte, während die weiteren drei dazu spielen und die wörtliche Rede übernehmen. Die von den Zuschauern ausgewählte Überschrift lautet „Dschungelcamp”. Aus diesem Grund reist eine der Schauspielerinnen in den tiefsten Dschungel, in dem sie auf die Königin des Dschungels trifft. Jedoch ist sie es, die Dschungelkönigin werden möchte, weshalb sie von der einheimischen Königin gelehrt wird, wie die Flusskrebse zu fangen sind. Die Darstellung eines Krebses übernimmt der verbliebene Schauspieler und erntet damit großen Applaus, das Spiel erhält 24,1 Punkte.

Die sechste Improvisation soll eine Liebesgeschichte darstellen. Von dem Publikum wird die Epoche Zukunft ausgewählt. Hierbei verliebt sich die Roboterfrau 53B9 in ihren Herren Karl-Heinz, der nach 82 Jahren Ehe keine glückliche Beziehung mehr zu seiner Frau „Anna-Lena 4″ führt. Die Geschichte mündet in eine Ritterromanze zwischen Karl-Heinz 1 und Karl-Heinz 2, der urplötzlich auftaucht. 25,8 Punkte erhält das futuristische Liebesdrama von den Zuschauern.

Das anschließende siebte Spiel funktioniert nach dem Schema der des dritten, jedoch werden die Rollen getauscht und die vorherigen Synchronsprecher übernehmen nun die Schauspielerei. Als Thema wird „Werbung” vorgeschlagen. Wenig später finden die Schauspieler sich in den Rollen von Bob und seiner Assistentin wieder, die mit amerikanischem Akzent Vasen und Serienteller verkaufen. Diese Idee wird mit 26,2 Punkten belohnt, der höchsten Punktzahl des Abends.

Zuletzt folgt eine Improvisation, bei der die vier Schauspieler jeden Satz mit den fortlaufenden Buchstaben des Alphabets beginnen sollen. Als Ortsname wird „Entenhausen” gewünscht. Mit 25,8 Punkten erhält das Spiel eine relativ hohe Punktzahl dafür, dass das Alphabet für die vier Akteure an manchen Stellen bereits eine Herausforderung darstellt und kein richtiger Spielfluss entsteht. Jedoch scheinen die fünf Bewertenden mit der Zeit höhere Punkte zu verteilen, als am Anfang.

Anfangs noch skeptisch, ob ein Theater Slam tatsächlich den gleichen Esprit und Witz wie ein Poetry Slam entwickeln kann, gehe ich zum Ende der Veranstaltung restlos begeistert aus dem Gebäude und freue mich bereits auf den nächsten Theater Slam am 15. Februar im Schauspielhaus Hamburg, sowie auf den „größten europäischen Poetry Slam”, das Bunker Slam Finale am 17. Februar in der Laeiszhalle Hamburgs, das Marc-René Hübscher bereits als Zusammenkunft aller Top-Poeten preist.

(Text: Ronja Heintzsch)

Ronja H.

Konstruktive Kritik in bitterscharfen Kommentaren üben, die Welt bereisen, auf aktuelle Problematiken hinweisen - all dies sind Gründe, aus denen Ronja beschloss, sich dem Metier Journalismus zu verpflichten. Schließlich gibt es noch einige unaufgedeckte Watergate-Affären in dieser Welt.

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