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“Die Menschen sind einfach erleichtert”

Marion Aberle leitet die Pressestelle der Welthungerhilfe und berichtet im Interview mit Benjamin Eichler über die missliche Lage von zwölf Millionen Menschen in Ostafrika. Die Welthungerhilfe setzt sich seit 1962 für die weltweite Sicherung einer ausreichenden Ernährung ein und ist in der derzeitigen Situation von besonderer Bedeutung.
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Wie sieht derzeit die Lage vor Ort aus?
Es gibt im Moment leider noch keinen Grund zur Entwarnung. In den vier betroffenen Ländern, Somalia, Kenia, Äthiopien und Dschibuti sprechen wir von über zwölf Millionen Menschen, die von akuter Nahrungsmittel-Unsicherheit betroffen sind, beziehungsweise von fünf Regionen Somalias, in denen eine akute Hungersnot ausgebrochen ist. Das heißt, dass dort derzeit täglich Menschen – und vor allem Kinder – verhungern müssen.

Wie sieht die Arbeit der Welthungerhilfe vor Ort aus?
Wir sind speziell in Kenia und Äthiopien schon seit langer Zeit vor Ort und leisten dort langfristige Hilfestellung im Bereich der Landwirtschaft und der Bewässerung. Dank der Spendengelder aus Deutschland haben wir jetzt unsere Hilfe aufgestockt und verteilen nun Nahrungsmittel, um die akute Not der Menschen zu lindern. Wir arbeiten in Somalia mit einer europäischen Partnerorganisation und einer irischen Nothilfe-Organisation zusammen, die in Mogadischu und auch im Süden Nothilfe leistet.

Wie wird die Verteilung dieser Güter regelt?
Die Flüchtlingslager sind nie gut, weil die Strukturen dort auf Dauer nicht erhalten werden können. Es ist zum Teil sehr schwer, die Leute dort zum Zurücksiedeln zu bewegen. In Notsituationen wie beispielsweise im Bürgerkrieg lässt sich so etwas natürlich nicht vermeiden. Wir helfen den Menschen dort, wo sie leben. Das sieht so aus, dass wir in die Dörfer fahren und dort mit der Dorfgemeinschaft sprechen. Die dortigen Haushaltsbestände werden dann registriert, es werden Berechtigungskarten an die Menschen ausgeteilt und zu einem festgelegten Zeitpunkt gibt es dann die Nahrungsmittelverteilungen bei denen vorrationierte Portionen an die Bewohner verteilt werden.

Wie sind die Reaktionen vor Ort?
Die Menschen sind einfach erleichtert. Man muss sich vorstellen, dass sie  keinerlei Vorräte mehr haben. Viele von ihnen greifen auf wilde Früchte oder andere wilde Nahrungsmittel zurück, doch bei vielen Familien ist es auch damit beinahe zu Ende. Deshalb sind die Menschen froh über jede Hilfe, die sie bekommen.

Was sind die Gründe für die Hungersnot?
Hunger ist immer ein komplexes Thema mit unterschiedlichen Ursachen. Das Problem am Horn von Afrika ist, dass dort schon mehrere Regenzeiten hintereinander – bedingt durch den Klimawandel – die Regenfälle sehr schlecht ausgefallen sind. Bereits im November des vergangen Jahres hatte man Angst davor, dass sich die Situation zuspitzen könne. Man hoffte aber auf die nächste Regenzeit. Als diese im Mai/Juni diesen Jahres auch ausblieb, entwickelte sich die Situation schlimmer, als man es je hätte ahnen können. Zusätzlich wird die Situation durch den Bürgerkrieg in Somalia extrem verschärft. Dort können die Menschen wegen des herrschenden Bürgerkriegs ihre Felder nicht richtig bestellen und haben entsprechend weniger Vorräte oder werden zum Teil ganz von ihren Grundstücken vertrieben.

Wer kann nun die Lage in Afrika ändern?
Konkret geht es darum die Menschen vor dem Verhungern zu retten. Es sollte aber auch darum gehen, die Situation langfristig zu verbessern, um eine Wiederholung der Ereignisse zu verhindern. Vor allem in den ländlichen Regionen ist in diesem Bereich schon viel passiert. Durch Hilfsorganisationen oder teilweise auch durch die jeweiligen Regierungen wurden verbesserte Anbaumethoden eingeführt, neues Saatgut gepflanzt und neue Bewässerungsmethoden entwickelt. Neben der Bürgerkriegssituation in Somalia sieht man jetzt, dass Regionen betroffen sind, die von diesen Entwicklungen vernachlässigt wurden. Diese Regionen müssen jetzt identifiziert werden, um dort eine langfristige Projektarbeit umsetzen zu können.

Es ist nachgewiesen, dass hierzulande die Spendenbereitschaft erst dann steigt, wenn Bilder von hungernden Kindern auf den Titelseiten zu finden sind. Macht Ihnen das zu schaffen?
Der Zusammenhang ist hinreichend nachgewiesen, dass wenn die Medien über gewisse Notstände berichten, die Spendenbereitschaft höher ist. Zum Verständnis: Über das Jahr gesehen, bekommen wir rund 30 Millionen Euro Spendengelder für die 30 Länder in denen wir tätig sind. Dagegen bekommen wir für solche akute Notsituationen in wenigen Wochen schon zehn Millionen Euro gespendet. Das ist natürlich gut, weil das Geld jetzt gebraucht wird, zeigt aber auch, dass die Spendenbereitschaft höher ist, wenn die mediale Vermittlung dieser schrecklichen Bilder zugegen ist.


Vielen Dank Frau Aberle für das Gespräch.

(Interview: Benjamin Eichler)

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