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“Den Interessen junger Menschen Gehör verschaffen”

Mit seinen 23 Jahren ist Florian Bernschneider der jüngste Abgeordnete im neuen Deutschen Bundestag. Der überzeugte Braunschweiger vertritt seine Heimat mit Leidenschaft, seine politische Bleibe ist hierbei die FDP. Mit back view spricht er, über seine Pläne in der Politik und wie er die beiden Leben als Student und Mandatsträger unter einen Hut bringt.
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bernschneiderSeit 2007 absolviert der smarte Jungpolitiker ein duales Studium der Betriebswirtschaftslehre bei der Norddeutschen Landesbank. Seine berufliche Zukunft sieht er deswegen aber noch lange nicht einzig und allein in der Wirtschaft. Im Gegenteil, seines Erachtens „gibt es keine perfekte Berufsausbildung für die Politik”.
Denn „im Idealfall sollte das deutsche Parlament ein Spiegelbild der Gesellschaft sein.” Und da gehören nun mal auch ein paar Betriebswirte dazu. Seine politische Laufbahn begann vor acht Jahren, als er 2002 den Jungen Liberalen beitrat.

Daraufhin folgte eine rasche Karriere: Innerhalb von sechs Jahren führte ihn sein Werdegang vom Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen Braunschweig über den Posten als Wahlkampfleiter der FDP Braunschweig bis zum Mitglied des Deutschen Bundestages und jugendpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Als dieser fühlt er sich selbstverständlich besonders mit den Interessen der jüngeren Generation verbunden.
Zum Beispiel, „wenn es um die nachhaltigen, zukunftsfähigen Reformen unserer sozialen Sicherungssysteme geht”, so der begeisterte Nachwuchspolitiker. Zugleich möchte er sich aber als Abgeordneter für den Wahlkreis Braunschweig nicht allein auf diese Themenfelder beschränken lassen.

Auch die Themen seiner Heimat liegen ihm am Herzen. Dass das Medieninteresse am neuen „Küken” im Bundestag besonders groß ist, sieht Bernschneider als eine Chance, medial auf seine Ziele aufmerksam zu machen. Als bodenständiger Student ist ihm jedoch auch bewusst,  dass „kein Journalist mit mir spricht, weil ich so ein toller Kerl bin oder weil ich schon so viele meiner Ziele habe umsetzen können, sondern einfach, weil ich der jüngste Abgeordnete bin.”  Das sei aber umso mehr Anlass, „jetzt an die Arbeit zu gehen und für meine Ideen zu streiten, damit ich bald nicht mehr wegen meines Alters, sondern meiner politischen Arbeit interviewt werde.”

bernschneider_florianback view: Wie kamen Sie dazu, noch während des Studiums als Bundestagsabgeordneter zu kandidieren und wie bekommen Sie Mandat und Studium unter einen Hut?
Florian Bernschneider:
Zum ersten Teil der Frage: Weil ich den Wahltermin nicht verschieben konnte (lacht).
So viel liegt bei meinem Studium aber gar nicht mehr vor mir. Das wird sicher auch mal stressig neben dem Bundestag, aber mir ist es wichtig, das Studium jetzt abzuschließen. Im Übrigen habe ich gute Vorbilder in der eigenen Fraktion, die ihr Studium parallel zur Ausübung eines Mandates erfolgreich zu Ende gebracht haben.

Haben Sie manchmal das Gefühl, aufgrund Ihres Alters nicht ganz ernst genommen zu werden? Wie reagieren ältere, „erfahrenere” Politiker auf jungen Nachwuchs?
Im Großen und Ganzen: Nein. Ich bin auch nicht der einzige junge Abgeordnete in der FDP-Bundestagsfraktion. Es sind 17 Junge Liberale in der neuen FDP-Bundestagsfraktion vertreten. Die junge Gruppe der Fraktion, in der alle Abgeordneten der FDP unter 40 Jahren regelmäßig zum Gedankenaustausch zusammenkommen, ist noch um einiges größer. Deswegen bin ich mir sicher, dass es uns auch gelingen wird, den Interessen junger Menschen in der Fraktion wie im Deutschen Bundestag Gehör zu verschaffen. Dass wir jungen Abgeordneten für unsere Interessen streiten, ist auch für unsere älteren Kollegen keine wirkliche Überraschung. Schließlich streiten wir auch innerhalb der FDP und auf Parteitagen für unsere Positionen.

Was wollen Sie bewegen oder vielleicht sogar besser machen als andere?
Seit einigen Wochen ist klar, dass ich mich für die FDP hauptsächlich um das Thema Jugendpolitik kümmern werde. Die Fraktion hat mich dafür zum jugendpolitischen Sprecher gewählt. Dabei ist mir als junger Mensch wichtig, dass Jugendpolitik nicht als ein Randthema im politischen Diskurs wahrgenommen wird. Bisher wurde sie immer mit der Kinderpolitik zusammengefasst. Diese Lösung ist aus meiner Sicht nicht optimal. Daher freut es mich, dass im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP glasklar geschrieben steht, dass wir uns für eine eigenständige Jugendpolitik starkmachen wollen. Des Weiteren verstehe ich Jugendpolitik eher als Querschnittsthema, dass sich über Bereiche wie die Bürgerrechte, Neue Medien und die sozialen Sicherungssysteme erstreckt.

Nehmen wir das Beispiel Bürgerrechte: Gerade für junge Menschen gab es in den letzten Jahren einen wahren Marathon an Verboten: Killerspielverbot, Alkoholverbotszonen, Internetsperren usw. Viel zu oft wird mit solchen Verboten Symbolpolitik betrieben, die an den wahren Ursachen und Missständen vorbei läuft. Meines Erachtens zückte die Politik in der jüngeren Vergangenheit zu schnell die Verbotskeule. Wenn wir wollen, dass die Menschen in unserem Land für sich und andere Verantwortung übernehmen, dürfen wir nicht ständig mit neuen Verboten suggerieren, dass Politik und Staat sowieso alles besser regeln können.

Gerade junge Menschen können sich oft nicht wirklich für Politik begeistern. Wie kann man dem entgegentreten?
Den ersten Satz kann ich so nicht ganz bestätigen. Es ist richtig, das zeigt auch die letzte Shell-Jugendstudie, dass der Teil der jungen Menschen, der sich als „politikinteressiert” bezeichnet, mit knapp 39 Prozent noch steigerungsfähig ist. Auf der anderen Seite kann ich aber nicht bestätigen, dass sich Jugendliche mehr als früher von der Politik abwenden würden. Die Jungen Liberalen haben zum Beispiel mittlerweile die Marke von 11 000 Mitgliedern erreicht. Das ist ein historischer Höchststand. Die aktuellen Schul- und Hochschulstreiks zeigen schließlich auch, dass sich junge Menschen sehr wohl mit Politik beschäftigen.

Es ist aber richtig, dass sich die Politik noch mehr anstrengen muss, um gerade junge Menschen für den politischen Diskurs zu begeistern. Dies kann beispielsweise über eine stärkere Nutzung neuer Medien und Dienste wie Twitter oder Blogs geschehen. An dieser Stelle sei aber auch gesagt: Jedem jungen Menschen muss klar sein, dass die politischen Entscheidungen von heute maßgeblich über unsere Zukunft entscheiden. Nur wer sich einbringt, kann auf diese Entscheidungen Einfluss ausüben und etwas verändern.

Beim Bildungsstreik sind vor kurzem wieder tausende SchülerInnen und Studierende auf die Straße gegangen. Viele von ihnen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Was ist Ihre persönliche Meinung als Politiker und Student dazu?
Viele der angesprochenen Punkte, die im Zuge der Proteste kritisiert wurden, kann ich durchaus verstehen. Zum Beispiel sehe ich auch Verbesserungsbedarf bei den Bachelor- und Masterstudiengängen. Die Studierenden sollten weiterhin die Zeit haben, auch Themen zu vertiefen, die nicht zwingend notwendig sind, um die nächste Klausur zu bestehen.
Außerdem müssen wir mehr in Bildung investieren, als das bisher der Fall ist. Das sieht die neue Bundesregierung auch so. Trotz der Wirtschaftskrise sind hier zusätzliche Investitionen in Höhe von zwölf Milliarden Euro geplant. Mit diesen Investitionen soll auch sichergestellt werden, dass die Bildungschancen junger Menschen nicht vom Einkommen der Eltern abhängig sind. Das wollen wir erreichen, indem wir BAföG und Studienkredite entbürokratisieren und das BAföG erhöhen. Gleichzeitig wollen wir ein nationales Stipendiensystem installieren, um die Studierenden besser zu unterstützen.

Ich sehe also durchaus, dass nicht alles rund läuft. Den Schluss, den einige Studenten ziehen, dass gleich die gesamte Studienreform rückgängig gemacht werden müsse, halte ich jedoch für falsch. Das gilt auch für die Frage der Studiengebühren. Ich finde es grundsätzlich richtig, dass die Studierenden sich zu einem Teil an den Kosten ihrer Bildung beteiligen.
Allerdings müssen die Rahmenbedingungen geändert werden. Die Unis brauchen mehr Autonomie und müssen frei darüber entscheiden können, wie die Mittel verwendet werden. Statt Einheitssätzen sollte lediglich ein Höchstbetrag vorgegeben werden. Die Hochschulen bekämen so die Möglichkeit, die Höhe der zu zahlenden Studiengebühren an ihrem tatsächlichen Bedarf auszurichten. Auf diesem Wege können wir den Wettbewerb unter den Hochschulen um Studenten und Lehrpersonal steigern, was positive Auswirkungen auf die Studienbedingungen insgesamt hätte.

Junger Politiker = Junge Ziele?
Können Sie sich mit „jungen” Streitpunkten wie die Internetzensur und Flatrateparties eher identifizieren, als mit Rentenversicherung und Gesundheitsreform?

Sowohl als auch. Streitpunkte wie das Internetzensurgesetz oder das Verbot von Flatrateparties sind für mich natürlich ein Thema. Und ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass solcher Unsinn, wie die Internetzensur oder ein Verkaufsverbot für Alkohol an Jugendliche nach 22 Uhr, wie es in einigen Bundesländern diskutiert wurde, nicht umgesetzt wird. Zugleich verliere ich aber nicht die langfristigen Herausforderungen aus den Augen, die meine Generation mindestens genauso sehr betreffen. So steht die Reform der sozialen Sicherungssysteme weiterhin auf der Agenda. Wenn wir einen guten und  bezahlbaren Sozialstaat auch für die kommenden Generationen garantieren wollen, müssen wir in den nächsten Jahren unsere Hausaufgaben machen. Sonst drohen die enormen Kosten, die bald auf uns zukommen werden, die Chancen der kommenden Generationen massiv einzuschränken. Es wäre also falsch zu meinen, dass die Rentenversicherung kein Thema für junge Menschen ist –  ganz im Gegenteil.

Junge Wilde Teil 1:
Niema Movassat, jüngster Bundestagsabgeordneter der Linksfraktion
Junge Wilde Teil 2:
Daniela Kolbe, jüngste Bundestagsabgeordneter der SPD
Junge Wilde Teil 3:
Florian Bernschneider, der jüngste Abgeordnete des Deutschen Bundestages (FDP)
Junge Wilde Teil 4:
Nadine Müller, die jüngste Abgeordnete der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Junge Wilde Teil 5:
Nadine Agnes Malczak, die jüngste Abgeordnete der GRÜNEN-Bundestagsfraktion

(Text: Julia Jung / Zeichnung: Christina Koormann / Foto: Florian Bernschneider)

Julia J.

Hauptberuflich ist Julia Weltenbummlerin, nebenberuflich studiert sie Politik. Wenn sie nicht gerade durch Australien, Neuseeland, Südafrika oder Hongkong reist, schreibt sie ein paar Zeilen für back view und das schon seit 2009.

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