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„Wir wollen den öffentlichen Raum kunstvoll beleben“

Zwei Freunde beschließen nach dem Ankommen vieler Menschen letzten Jahres, ihnen Raum für Musik und Begegnung zu geben. Open Piano for Refugees machte sich in mehreren Städten Österreichs und auch in Lindau am Bodensee mit Pianos im öffentlichen Raum bemerkbar.[divide]

Wie ist euer Projekt Open Piano for Refugees entstanden?

Nico Schwendinger: Udo Felizeter und ich machten letzten Sommer eine Radtour in Osteuropa, durch Weißrussland, Ukraine und Polen und dann wieder nach Wien. In der Ukraine sind wir auf mehrere Open Pianos gestoßen. Wir sahen das dort zum ersten gemeinsam Mal live und bemerkten wie cool es ist. Wie sehr die Musik es schafft zu verbinden, Leute zusammenkommen und die schöne Atmosphäre gemeinsam genießen.

Nach unserer Reise sind wir wieder Studium und Arbeit nachgegangen, aber im Frühjahr ist die Idee wieder hochgekommen. Mit der Musik als Brückenbauer kommen die Menschen leichter ins Gespräch und es entsteht eine positive Atmosphäre. Deswegen war es für uns naheliegend in der aktuellen Flüchtlingsdebatte Brücken zwischen Kulturen zu schlagen. Das Konzept wurde ausgebaut und weiterentwickelt: Wir stellen Klaviere in den öffentlichen Raum um ihn kunstvoll zu beleben und veranstalten dort auch Konzerte. Ansonsten sind die Klaviere immer frei bespielbar und zugänglich für alle. So entsteht ein Ort der Begegnung an dem wir gerade auch Geflüchteten eine Plattform geben, sich positiv in der Öffentlichkeit zu zeigen und ihre Talente darstellen zu können. Die Spendeneinnahmen werden dann wiederum für Musikprojekte mit Geflüchteten verwendet. Vor einigen Tagen wurde uns auch schon ein E-Piano gespendet, das nun in einem Geflüchtetenheim steht und zwei, drei Leute geben dort Klavierunterricht.

Welche Erfahrungen sind dir bis jetzt dabei besonders in Erinnerung geblieben?

Wenn ich an Open Piano for Refugees denke, fallen mir die vielen Momente ein, wo plötzlich so viele  Menschen zusammenkommen, wie viele Menschen Klavier spielen können und wie gut sie es spielen. Sie erkennen die Oase im öffentlichen Raum und machen sie auch dazu. Denn wenn das Klavier nur da steht, interessiert es niemand. Aber sobald zwanzig Menschen neben den hektischen Straßen ein wenig innehalten und der Musik zu hören, entsteht ein cooles Wohlgefühl.

Dann sind da natürlich unzählig viele wunderschöne einzelne Momente. Beispielsweise als drei Passanten sich an einem unserer ersten Open Pianos am Platz der Menschenrechte treffen. In herrlicher Abendstimmung wird „What a wonderful world“ gesungen und am Piano und Cello begleitet. Oder eine 8-Jährige die unglaublich gut spielt und die Massen begeistert. Da wäre auch ein Besuch von einem Chor, die Konzerte von Geflüchteten natürlich, oder auch als da plötzlich knapp 500 Leute beim Konzert von Dunkelbunt im Mumseumsquartier um unseren Flügel herumsitzen. Lustig war auch als ein Abendkonzert plötzlich spontan von einem Saxophonspieler „gecrasht“ wurde und die dann so gut harmonierten, dass sie das ganze Konzert gemeinsam spielten. Dann fällt mir ein, wie schwer es anfangs überhaupt war irgendwo ein Klavier aufstellen zu dürfen. Aber sobald es uns über eine Demo zum ersten Mal möglich war, ein Open Piano aufzustellen, forderten uns viele auf, das Ganze weiterzumachen und so kam eins zum anderen.

Was besonders an unseren Standorten ist, dass sie im Gegensatz zu anderen Open Pianos betreut werden. Irgendjemand von uns sitzt immer in der Nähe des Klaviers und spielt, wenn niemand da ist. Das führt dazu, dass viel öfter gespielt wird und mehr Leute angezogen werden.

Open Piano MQ

 

Was habt ihr noch in Zukunft vor?

Mittlerweile sind wir in der Gründung eines Vereins, davor basierte alles auf Freiwilligenarbeit. In unserem Statut schreiben wir, dass Open Piano generell der Integration von Minderheiten dienen soll und nicht nur Geflüchteten. Was Standorte anbelangt, haben wir noch sehr viele Ideen. Über den Winter wollen wir mehr in Einkaufszentren sein, letztens standen wir in einem in Dornbirn. Allerdings sind wir auch froh, mal eine kurze Pause einlegen zu können. Nächstes Jahr sind wieder einige Standorte geplant und wir sehen weiter, was sich ergibt.

Wie siehst du die Flüchtlingsthematik in Europa?

Im Zuge dieses Projekts, aber auch in unserem persönlichen Umfeld, sahen wir extrem viele Menschen mit einer großen Bereitschaft sich den Herausforderungen, die mit der Flüchtlingsthematik entstanden sind, zu stellen. Sie haben sehr viel Nächstenliebe walten lassen und es entstanden Möglichkeiten in sich gegenseitig Glücksgefühle auszulösen. In jeder Herausforderung steckt auch irgendwie die Chance, etwas zu schaffen, zu erreichen. Wenn es auch im Kleinen passiert, gibt es viel Energie zum Weitermachen. Wenn Vertrauen da ist und der Glaube an das Gute auch im Fremden, dann ist da sehr viel machbar.

 

(Foto: Open Piano for Refugee)

Anna L.

Anna Luther schreibt seit Februar 2015 bei backview.eu und interessiert sich für gesellschaftliche, kulturelle und politische Thematiken. Sie studiert in Wien Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Philosophie.

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