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Olympia – ein Nachruf

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302 Goldmedaillen wurden vergeben in den letzten 16 Tagen, die dann doch wie im Fluge vergingen. China zeigt den anderen Nationen die Grenzen auf und Team Großbritannien zeigt Deutschland wie man es machen muss. Denn die schneiden nicht sonderlich gut ab – oder? back view blickt für Euch zurück auf die Olympischen Spiele 2012.

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„Silber, Silber, Silber, Silber – scheiss egal, ich habe eine olympische Medaille geholt.” Der Spruch von Speerwerferin Obergföll könnte Symbolcharakter für die vergangenen Sommerspiele haben. Mit 19 Silbermedaillen liegt Deutschland auf dem vierten Platz, es sind sogar mehr silberne als bei Südkorea und Team GB. Es waren auch die Spiele der knappen Entscheidungen, die oftmals gegen Deutschland fielen. Ein Problem?

Nein, nicht unbedingt. Denn die Zielvereinbarungen, die am Wochenende aufkamen und für Wirbel sorgten, sind ohnehin fernab jeglicher Realität. Sicher: Es hätten zwei bis drei Goldmedaillen mehr sein können für das deutsche Olympiateam, doch die 28 angepeilten Siege, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit den Spitzenverbänden und dem Bundesministerium austüftelte, sind derart hypothetischer und träumerischer Natur, dass sie beinahe lustig oder sarkastisch daherkommen.

Mehr als die Jagd nach Gold
Ohnehin ist Olympia mehr als die Jagd nach Gold – es waren 16 Tage, in denen man als gewöhnlicher Fernsehkonsument nach Hause kommen konnte und selbst nachmittags den Fernseher einschalten konnte und nicht das übliche Schrottprogramm aus der RTL-Verblödungsmaschine vorgesetzt bekam.

Recht souverän und ambitioniert begleiteten ARD und ZDF mit einem bombastischen und zuvor nie dagewesenen Onlineangebot den Zuschauer durch die sportreichen Tage. Selbst dem gemeinen Laien wurden vermeintlich komplexe und nicht bekannte Sportarten oftmals noch erklärt. Auch Eurosport war wie immer mit von der Partie, auch wenn der französische Sender naturgemäß eher auf absolute Livebilder als auf deutsche Medaillenentscheidungen setzte.

Und wer den verpassten Siegchancen nachtrauert, dem seien Bilder gezeigt vom glorreichen Triumph der Beachvolleyballer Brink und Reckermann, die vor lauter Unglauben hüpfend nicht wussten, wohin mit ihren Emotionen. Oder die überraschende Silbermedaille des Slalomkanuten Sideris Tasiadis, der aus dem Wasser emporstieg und seinen Trainer Michael Trummer jubeln ließ: „Sid ist der Mann der Zukunft”.

Kritik aus den Reihen der Sportler
Dass jedoch nicht alles Gold ist, was glänzt, das ließ Diskus-Olympiasieger Robert Harting durchblicken. Einen Tag nach seinem Triumph polterte er: „Deutschland hat eine Neid- und Leistungskultur”. In ein ähnliches Horn hatte zuvor schon Britta Steffens geblasen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die deutschen Schwimmer auf voller Linie enttäuschten. Lediglich die Geschichten von Deibler, di Carli und Meeuw waren Erfolgsstory, wenn auch ohne Medaillengewinn. Es waren vor allem Bidermann und Steffens, die die großen Erwartungen nicht erfüllen konnten.

Doch Britta Steffens preschte voran und wehrte sich gegen die alleinige Schuld der Sportler am Versagen: „In Amerika ist man ein Held, wenn man im Sport gut ist, dann kann man sich sein Studium damit finanzieren. In Deutschland ist das nicht ganz so einfach. Man sollte vielleicht mit den ganzen Experten die Systeme analysieren. Aber ich bin nur ein dummes Sportlerchen.”
Die Systeme analysieren – das klingt gut. Man sollte sie am besten gänzlich auf den Kopf stellen. Denn rumhacken kann jeder, doch Fördern, das könnte nachhaltige Wirkung zeigen. So nachhaltig wie beim Team GB, die pünktlich zu ihrer Heimolympiade fit und fokussiert waren und sich damit den verdienten Lohn für eine lange Vorbereitung abholten.

Olympiade in Deutschland?

Die Olympiade in Deutschland könnte die Förder- und Sichtungssysteme zur Revolution zwingen, sie könnte zur großen Chance für Verbände und Sportler werden. Da kann sich Deutschland sicherlich ein Beispiel an London und Gesamtbritannien nehmen.
Doch nicht alles war rundum sorglos. Die Spiele sind noch keine 24 Stunden vorbei und schon gibt es den ersten Akt am grünen Tisch. Die weißrussische Kugelstoßerin Nadeschda Ostaptschuk muss ihr Gold zurückgeben. Wahrscheinlich nicht das einzige Kapitel in der endlosen Dopingposse des Leistungssports.

Auch die repressive Sicherheitspolitik rund um die Spiele sorgte für negative Kritik im Vorfeld. Während der Spiele ist natürlich nichts weiter passiert, Gelder wurden dennoch zum Protz der Sicherheit verpulvert. Die Luftabwehrgeschosse wurden jedoch erfolgreich kaschiert, London glänzte im Schein einer mondänen Weltstadt.
Heute ließ Londons Bürgermeister verlauten, dass sich die Spiele gelohnt hätten. Mit 13 Milliarden Pfund rechnet die Politik für die nächsten Jahre. Damit wären die Organisationskosten zumindest atomisiert. Immerhin ein wenig Nachhaltigkeit, denn davon gab es in den letzten Spielen und anderen großen Sportereignissen nicht allzu viel.

Und einer hat sich derart viel clowneske Nachhaltigkeit gesichert, dass ihm der Weg in die Geschichtsbücher sicher ist. Usain Bolt ließ zum Abschluss verlauten: „Ich bin jetzt eine Legende – nun bewundert mich und meinen Ruhm. Und erzählt es in euren Ländern allen weiter. Sonst gibt es keine Interviews mehr mit mir.”

(Text: Jerome Kirschbaum / Foto: Benjamin Radzun, flickr.com)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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