InternationalPolitik

Morden, um zu überleben

Es sind fast immer langanhaltende Bürgerkriege, in denen Kinder zu Soldaten rekrutiert werden. Der Bürgerkrieg auf Sri Lanka tobt seit 1983. Menschen werden zum „lebenden Schutzschild” hinter dem sich die bewaffnete Oppositionsgruppe, die “Befreiungstiger von Tamil Eelam” (LTTE) verstecken.

Weltweit sind nach Schätzungen der UN mehr als 30.000 Kinder und Jugendliche, Mädchen und Jungen unter 18 Jahren in den Streitkräften und bewaffneten Oppositionsgruppen in 36 Ländern als Soldaten im Einsatz. Und die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die für die LTTE kämpfen müssen, wächst nach Angaben der UNICEF stetig weiter an: „Das UN-Kinderhilfswerk habe eindeutige Beweise, dass die LTTE die Rekrutierung von Kindern verstärke und sogar 14-Jährige zu Soldaten gemacht würden”. Das berichtete die Deutsche Welle am 17. Februar dieses Jahres auf ihrer Internetseite.

Die „Befreiungstiger von Tamil Eelam” kämpft seit Anfang der 80er Jahre für einen unabhängigen Staat für die tamilische Minderheit auf Sri Lanka.

Die EU hat die LTTE im Mai 2006 als Terrororganisation eingestuft und auch die Vereinigten Staaten haben die LTTE auf ihrer Terrorliste. Dennoch gibt es international keine Einigkeit darüber, ob die Tamilen tatsächlich eine Terrorgruppe sind oder nicht – Selbstmordattentate als „Kampfmittel” wurden von den Rebellen schon vor dem 11. September 2001 eingesetzt. Aber ist es nicht ein terroristisches Verbrechen, wenn Kindern ihre grundlegenden Menschenrechte genommen, und sie zu „Kriegsmaschinen” gemacht werden?

Das Interesse am Krieg in Sri Lanka ist in den internationalen Medien eher begrenzt, da andere Kriege im aktuellen Geschehen wichtiger erscheinen. Dabei liegen die Wurzeln des Konflikts in Sri Lanka tief vergraben. Die Minderheit der Tamilen fühlt sich von den Singhalesen unterdrückt. Zwischen singhalesischer Regierungsarmee und Tamilen-Rebellen vereinbarte Waffenruhen wurden in der Vergangenheit immer wieder dazu genutzt, um neu aufzurüsten.

Unterstützung von außen wird der Friedensprozess deshalb wohl erst dann wieder erhalten, wenn die Kontrahenten entscheidende Vorleistungen erbringen. So fordert die internationale Gemeinschaft von der LTTE ein Ende der Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten und ein Ende des Waffenschmuggels. Die Regierung ihrerseits muss sich auf ein Angebot einigen, das den Gebieten der Tamilen zumindest einen Autonomiestatus gewährt. Der Konflikthintergrund ist kompliziert. Neutrale Beobachter prophezeien eine schwarze Zukunft für das Land, falls eine politische Lösung zwischen Tamilen-Rebellen und der Regierung Sri Lankas scheitert.

Zudem sind Kindersoldaten ein wichtiges Erpressungsmittel für die Tamilen-Rebellen. Die LTTE missbraucht Kinder für ihren Krieg gegen die Regierung. Kinder waren immer Opfer und Leidtragende in Kriegen, aber erst die neue Form der Bürgerkriege hat Kinder in die Doppelrolle von Akteur und Opfer gebracht.
Auf die Frage, wer Kindersoldat wird, gibt es eine relativ einheitliche, auch auf Kindersoldaten in Sri Lanka anwendbare, Antwort: Es sind Jugendliche aus aktuellen Konfliktzonen, die in Armut und benachteiligten Gesellschaften leben. Die meisten werden bei Überfällen auf ihre Heimatdörfer oder auf der Flucht von Rebellengruppen rekrutiert. Diese Zwangsrekrutierung ist die verbreitetste Form der Rekrutierung von Kindersoldaten.

Doch muss man sich das so vorstellen, dass Kinder ins Sri Lanka nachts aus ihren Häusern geklaut werden und dann von den Tamilen-Rebellenführer gefangen gehalten werden? Wohl kaum, da dies eine zu einseitige Betrachtung wäre. Es gibt auch Kinder (meist Jungen), die sich freiwillig im Militärcamp der LTTE melden – so unglaublich das klingt. Gründe dafür sind weniger politische, sondern – bei Zehn- bis Achtzehnjährigen nichts Ungewöhnliches – Abenteuerlust zum Beispiel. Diese Feststellung soll auf keinen Fall beschönigend klingen.

Fast alle Kindersoldaten sind schwerwiegend traumatisiert. Brutal sein und keine Disziplin oder gar Mitleid mit den Menschen haben: Dies wird den Kindersoldaten so lange eingetrichtert, bis sie es verinnerlicht haben. Am Ende der Gehirnwäsche sind sie so instrumentalisiert, dass sie nicht zögern würden, auch ihre eigenen Eltern zu ermorden. Ein weiterer Grund freiwillig der LTTE beizutreten, ist die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen in einer Gesellschaft ohne Perspektiven und ohne Arbeit – Für eine Gesellschaft im dauerhaften Kriegszustand. Im Gegensatz zu Regierung und Gesellschaft bietet der Krieg jungen Männern einen sicheren Arbeitsplatz.

Die Situation ist prekär und kompliziert. Dennoch unterstützt zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz die leidende Zivilbevölkerung in Sri Lanka – insbesondere seit dem Tsunami 2004 – intensiv. Seitdem wurden Krankenhäuser und Gesundheitsstationen renoviert und mit medizinischem Material ausgestattet, Wasserleitungssysteme gebaut sowie Hilfsgüter an Flüchtlinge verteilt.
Außerdem baute das DRK über 1.200 Häuser auf, die durch den Tsumani 2004 zerstört wurden. Es ist aber auch klar, obwohl sich Menschenrechtsorganisationen und auch die deutsche Regierung für eine Veränderung der Situation einsetzt, ist vieles, was an Hilfe nach Sri Lanka geschickt wird, nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Weitere Informationen zum Thema gibt es unter: www.child-soldiers.org

(Text: Nina Nickoll)

Schreibe einen Kommentar