Osten

Was machst du bloß in Russland?

sam_1204Unsere Autorin Miriam studiert in Deutschland Russisch und ging für vier Wochen nach Sankt Petersburg. Für sie ist Russland das schönste Land der Erde, Sankt Petersburg die schönste Stadt der Welt und Russisch sowieso die schönste Sprache überhaupt. Unter Bekannten und Familie erntet sie dafür schockierte Bewunderung oder einfach nur Kopfschütteln. Im ersten Teil: ein Erklärungsversuch.

[divide]

Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Russisch studiere, dann kann ich die Reaktionen inzwischen schon vorhersehen: Erst reißen sie die Augen auf, dann fragen sie ungläubig „Russisch?”, dann nicke ich, dann macht sich in ihrem Gesicht ein großes Fragezeichen breit. Entweder sind die Leute geschockt oder sie sind begeistert (wobei sie dann auch trotzdem geschockt sind) und knien fast vor mir nieder, weil sie das für ziemlich „krass” oder „sau schwer” halten.
Einige Fragen dann, was man denn bitte mit Russisch später anfängt, andere haben es zum Glück schon verstanden, dass das eigentlich gar keine so schlechte Sache ist. Der ersten Gruppe erkläre ich müde, dass mich Englisch langweilt, dass ich eine Herausforderung suchte, dass Leute mit Kenntnissen einer slawischen Sprache gesucht werden und, dass Russisch einfach „cool” ist. Es ist die Kurzfassung, weil mich die Frage nervt und mich auch ein bisschen beleidigt.

Wenn ich dann aber erzähle, dass ich später ein Jahr in Russland studieren will und, dass ich nach meinem Abschluss für ein paar Jahre in Moskau als Journalistin arbeiten will, ja spätestens dann ist die Schockstarre in den Gesichtern einem resignierenden Kopfschütteln gewichen. Dass ich in den Osten will, in Russland arbeiten und leben will, also das kann keiner mehr verstehen. Selbst meine Russischkommilitonen machen da große Augen.

Dabei ist das alles gar nicht so schockierend oder unverständlich.
Dass ich Russisch aus wirtschaftlichen Gründen lerne, stimmt nicht, das sage ich nur, weil das die meisten Deutschen als einzig sinnvollen Grund anerkennen. Die anderen Gründe stimmen zwar alle: Englisch ist für mich langweilig und hässlich, Russisch lernt nun mal nicht jeder eben mal so und es ist nun mal für mich die schönste, interessanteste und coolste Sprache auf dem Planeten. Doch trotzdem ist diese ja eigentlich schon schlüssige Begründung beschämend unvollständig und verkennt und unterschlägt fast alles, warum ich nach Russland ging und warum ich mich in dieses einzigartige Land verliebte.
Aber erst mal einen Schritt zurück. Das erste Mal ging ich 2011 nach Russland. Damals reiste ich nach Moskau und Wolgograd, ich sprach kein Wort Russisch, aber verliebte mich sofort in Land und Leute. Kurz darauf begann ich mein Russischstudium. Mir war klar, dass ich zurückkehren wollte und, dass ich die Sprache lernen muss.

Ein Jahr und zwei Sprachkurse am Institut für Slawistik später, sitze ich mit ein paar Kommilitoninnen im Flieger nach Petersburg. Im diesem Spätsommer machten wir einen Sprachkurs am Anna Achmatowa Museum in Sankt Petersburg.
469 Tage hatte ich sehnlich darauf gewartet: nach einem Jahr und 103 Tagen betrat ich endlich wieder russisch Boden. Am Flughafen traf ich meine Gastfamilie, bei denen ich die nächsten vier Wochen verbringen würde. Meine Gastfamilie – meine Mutter Taisija, ihre Tochter Sina und deren Sohn Anton – ist zum Bespiel auch ein Grund, warum mein Herz hier blieb.

In dieser Serie möchte ich von Russland erzählen, von Petersburg und seiner einzigartigen Schönheit und von den Russen und ihrer Mentalität. Ich möchte über Vorurteile erzählen und vielleicht kann ich auch mit dem ein oder anderen aufräumen. Ich möchte versuchen zu erklären, warum ich immer wieder nach Russland gehe, warum ein Stück von mir immer dort ist und, warum der nächste Flug in den wilden Osten schon gebucht ist.

(Text und Foto: Miriam Gräf)

Miriam G.

Wenn Miriam nicht gerade durch Russland reist, dann schreibt sie darüber. Ansonsten erzählt sie noch gerne von der großen Liebe oder schreibt Hassreden gegen Schokonikoläuse. Miriam ist freie Journalistin für verschiedene Online Medien, darunter generationanders.com und to4ka-treff. Seit 2013 ist sie Mentee im Mentorenprogramm der Jugenpresse und Jungejournalisten.de

Schreibe einen Kommentar