Westen

Maximale Verpackung, minimaler Inhalt

Wie schön, Post für mich! Erwartungsvoll öffne ich den Brief und traue meinen Augen nicht. Einen Strafzettel. 35 Euro sollte ich bezahlen für nicht ordnungsgemäß abgestellten Müll. 35 Euro! Die spinnen, die Franzosen! Ich meine, Recht haben sie, die Regeln habe ich tatsächlich nicht eingehalten, aber ich kann alles erklären! Bitteschön.

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Zwischen 19:00 und 19:30 Uhr darf unsere Straße in Metz den Müll vor die Tür stellen. Plastikmüll immer mittwochs, Restmüll an den anderen Tagen. Wenn wir abends mal im Kino oder in der Kneipe (an schlechten Tagen auch in der Uni) waren, hatten wir die „unartige” Angewohnheit, den Müll schon kurz vorher rauszustellen (zugegeben, manchmal auch schon morgens, aber nur, wenn es gar nicht anders ging, wirklich). Unser Plastikmüll war manchmal schon dienstags voll (in der Wohnung ist wirklich kein Platz für volle Müllsäcke) und dann kam er eben vor das leerstehende Geschäft gegenüber, schön in die Ecke. Dort stört er doch keinen! Nur die Stadtreinigung hat sich darüber geärgert, in unserem Müll gewühlt und meinen Namen zu Tage gefördert. Ziemlich unverschämt, wie ich finde. Und auch unheimlich!Ich dachte immer, Müll sei Privatsache, aber wenn man mal ein bisschen länger darüber nachdenkt, ist das leider ziemlicher Unsinn. Irgendwer sortiert das ja noch in Briefe mit und ohne Plastikfenster und so… alles Weitere will ich lieber nicht so genau wissen. Aber es ist nicht meine Schuld, dass unsere gelben Säcke immer so schnell voll sind. Es liegt definitiv am französischen Verpackungswahn.
Die Franzosen sind wahre Meister, wenn es darum geht, möglichst viel Plastik zu verarbeiten. Beispiel Schokokekse: Mit Glück dürfen die Kekse Zweier- oder Dreier-WGs in ihren Plastikbeutelchen bewohnen, wenn sie Pech haben, sind sie einzeln in Zellophan gehüllt. Auch Stapelchips liegen nicht direkt in der Packung, sondern quetschen sich in Plastiksitze. Maximale Verpackung, minimaler Inhalt – so die Devise.Vielleicht hat es Diät-fördernde Gründe: Weniger Kekse in der Packung bedeuten weniger Kekse im Magen. Sind die Dinger noch einzeln eingepackt, stellt das Zellophanhüllchen eine zusätzliche Hürde da, die den Hungrigen vom Verzehr abhält. Wahrscheinlich kann man diese akkurat verpackten Portiönchen den Kindern auch einfacher mit in die Schule geben.
Oder ist das fehlende Umweltbewusstsein der Franzosen der Grund für den übermäßigen Plastikverbrauch? Mich hält es leider nicht vom Verzehr ab, nur mein Geldbeutel wird immer dünner (weil weniger Inhalt drin ist, heißt es ja nicht, dass die Kekse auch weniger kosten).

Daher ist der Verpackungswahn der Hauptgrund dafür, dass mein Müll zu früh vor der Tür stand! Die Plastik-Lobby der Lebensmittelverpackungen sollte in Zukunft alle Kosten für Müll-Strafzettel übernehmen. Das wäre doch was! Die Petition ist hiermit verfasst.

PS: Inzwischen musste meine WG feststellen, dass es leider tatsächlich möglich ist, einen gelben Sack unter dem Tisch zu verstecken und den gesamten Müll immer mittwochs vor die Tür zu bringen. Es ist nur etwas unbequemer. Deshalb bin ich jetzt doch zu faul, um die Petition abzuschicken. Ich esse lieber noch ein paar Schokokekse aus dem Dreierpäckchen. Wollt ihr auch einen?

(Text: Anna Franz)

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