Menschen

Kloster statt Konsumwelt

In geselliger Runde oder während Krisengesprächen mit Freunden über das andere Geschlecht fällt schonmal scherzhaft der Spruch „Wenn das so weiter geht, dann gehe ich ins Kloster”. Dass es junge Menschen gibt, die diesen Entschluss tatsächlich realisieren, erscheint vielen abwegig und altmodisch. back view sprach genau darüber mit einer Kloster-auf-Zeit-Besucherin.

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Viele Klöster in Deutschland bieten mittlerweile nicht nur Gästen Unterkünfte in schönen Klosterumgebungen, sondern auch das Erlebnis Klosterleben hautnah. „Kloster auf Zeit” nennen sich diese Angebote, bei denen die Kurzzeit-Nonnen und -Mönche getreu dem Motto „Ora et labora” den mitunter harten Klosteralltag teilen. Beten, arbeiten, essen und schlafen sind die einfachen Elemente des Klosterlebens, die eine Konzentration auf sich selbst und die eigene Religiosität versprechen.Das Kloster ist für Gestresste ein Rückzugsort.

Laut einem aktuellen Bericht der „Welt” gehen circa 8.000 bis 10.000 Anfragen pro Jahr bei den etwa 260 teilnehmenden Männer- und Frauenklöstern in Deutschland ein. Doch nicht nur, um Gott näher zu sein, nutzen Menschen dieses Angebot. Auch die Abkehr von der stressigen Konsumwelt oder das Finden von Ruhe und Erholung sowie des inneren Gleichgewichts treibt nicht nur Ex-Bundespräsident Christian Wulff dazu, für einige Zeit das Leben hinter Klostermauern auszuprobieren.

Der Kloster-Tourismus ist also gefragt und kann manchmal, wenn auch sehr selten, sogar der Start in ein klösterliches Leben sein. Doch was bringt junge, moderne Menschen dazu, ihr Leben gegen das ewigwährende Bündnis mit Gott einzutauschen? back view sprach mit einer Kloster-auf-Zeit-Besucherin, die ihre Erfahrungen aus ihren Gesprächen mit Nonnen schildert und dabei auch eine junge Frau kennenlernte, die sich für das Leben als Nonne entschied.

Keine Zeit für das Wesentliche
Diese 26-jährige Novizin führte vor ihrem Eintritt ins Kloster das, was man als ein „normales” Leben für eine junge Frau bezeichnen würde. Sie studierte, ging tanzen, sah fern, nichts Ungewöhnliches. Doch die Lehramtsstudentin gelangte bald zur Erkenntnis, dass sie etwas Anderes von ihrem Leben erwatete. Es füllte sie nicht aus, dem versuchte sie mit einem Studienfachwechsel Abhilfe zu schaffen. Doch auch das Musikstudium stellte sie nicht vollends zufrieden.

Die junge Frau besuchte mehrere Male ein Kloster im Rahmen von Kloster-auf-Zeit-Programmen, bevor sie sich zu der Entscheidung durchrang, Nonne zu werden. Die drei Grundsätze des reinen Frauenklosters „Armut, Keuschheit und Gehorsam” musste sie verinnerlichen – ein großer Schritt, wenn man aus einer Gesellschaft kommt, die vor Konsum, Sex und indivueller Freiheiten nur so strotzt.

In den kleinen Einzelzimmern haben die Klosterbewohnerinnen gerade einmal ein Radio. Wenn sie sich selbst beschäftigen, verbringen sie die Zeit zumeist mit lesen – gemeinsam gibt es als Abendbeschäftigung Gesprächskreise oder Gesangseinheiten. Es gibt zwar Laptops, die sich die Nonnen ausleihen können, um sich über das aktuelle Tagesgeschehen zu informieren, doch ist das Kloster eine eigene kleine Welt – ein recht geschlossener Bienenstaat abseits vom bunten, hektischen Treiben der Städte – zu groß ist der Unterschied zu diesem Leben.

Viele schätzen die Abgeschiedenheit eines Klosters.Feste Strukturen als Vorteil
Das merkte auch die junge Frau, als sie als Novizin in selbiges Kloster eintrat. Im stressigen Alltag fand sie nicht genug Zeit für die Dinge, die ihr wichtig waren: Sie hatte kaum Zeit für sich selbst, zum Nachdenken und Lesen und zur Auseinandersetzung mit ihrer Religion.

Das Kloster hat zwar einen durchgeplanten, festgeregelten Alltag – um sechs Uhr morgens beginnt der Tag mit dem Gebet, nach dem Frühstück beginnt die Arbeit, die durch Gebet und Mittagessen noch einmal unterbrochen, bis 17 Uhr dauert. Doch der 26-Jährigen Novizin sagt gerade das, was andere als ungeheure Einschränkungen empfinden würden, zu. Daneben lässt das Kloster Zeit, in der sich die Nonnen selbst beschäftigen müssen und sollen, wo sogar Schweigen herrscht.

Diese Stille fernab der Alltagswelt war für die junge Frau das, wonach sie in ihrem alten Leben vergeblich gesucht hatte. Sie kommt aus einer Pfarrersfamilie, und lebte auch in einer evangelischen Wohngemeinschaft, besaß also ein christlich geprägtes Umfeld, trotzdem hätten das Familie und Freunde überrascht auf den radikalen Schritt reagiert.

Die Kehrseite von alledem ist jedoch, dass sie niemals heiraten und Kinder bekommen wird. Das sei das Opfer, das sie bringe für den Lebensstil, der ihr zusage, erklärte die junge Novizin. Doch kann und sollte ein junger Mensch eine solch grundlegende Entscheidung in so jungen Jahren treffen? Kann er bereits entscheiden, alle Freiheiten und Möglichkeiten, die ihm offen stehen verfallen lässt und sich für immer dem Klosterleben zu verschreiben?

Zwei Jahre lang sind die jungen Frauen im Kloster Novizinnen und können sich, wenn nötig, noch umentscheiden, danach verpflichten sie sich auf ewig dem klösterlichen Leben. Bei der symbolischen Zeremonie bekommen sie ein Kreuz, ein Band mit den drei Grundsätzen des Klosters und einen Ring überreicht. Von da an sind die Nonnen mit dem Kloster vermählt.

Weitere Texte zum Titelthema “LEBENSWEGE”:
18-jährige Erstis versus 30-jährige Langzeitstudenten
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Ohne zu Hause in der Welt daheim
Generation Weltenbummler
Zeitgeist des Heiratens

(Text: Julia Radgen / Fotos: Katharina Hinz)

Julia R.

Julia lebt in Mainz und schreibt am liebsten über Kultur- und Gesellschaftsthemen - und interessante Menschen. Sie ist Social Media-süchtig und verzichtet nur freiwillig auf Internet und Handy, wenn sie zu einem Festival fährt. Wenn sie groß ist, will Julia mal Journalistin werden.

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