BrennpunkteGesellschaft

Kernkraftwerke und Kinderkrebs

Es kursieren viele Studien zu den Auswirkungen von Radioaktivität und es kommt scheinbar keine auf ein eindeutiges Ergebnis. Die Erkenntnisse werden bestritten und bestärkt, je nachdem ob sich Atomkraftgegner oder -befürworter äußern. back view stellt euch die bedrückenden Resultate der „Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken”-Studie (KIKK) vor.[divide]

Je näher ein Kind an einem Atomkraftwerk wohnt, desto mehr steigt die Wahrscheinlichkeit für es, an Krebs zu erkranken. Bereits vor drei Jahren sorgte diese Erkenntnis des deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz für viele Diskussionen.
Die Studie war im Auftrag des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) von 1980 bis 2003 durchgeführt worden. Sie umfasst 1.592 an Krebs erkrankte Kinder und 4.735 nicht erkrankte Kinder. Untersucht wurden 41 Landkreise in der Umgebung von 16 Standorten der insgesamt 22 Kernkraftwerke in Deutschland. Die erschreckende Erkenntnis war, dass innerhalb von fünf Kilometern Umkreis um die Reaktoren 37 Kinder neu an Leukämie erkrankt sind. Statistisch hätten aber nur 17 Kinder betroffen sein dürfen. Die Studie schlussfolgert daraus, dass 20 zusätzliche Erkrankungen auf die Nähe zu den Atomkraftwerken zurückzuführen sind. Außerdem wurde ein Risikoanstieg für alle Krebserkrankungen von Kindern, die im Nahbereich von Kernkraftwerken wohnten, um 60 Prozent festgestellt.

Diese Zahlen sind erschreckend. Dennoch geriet die Studie in Kritik. Es wurde nicht untersucht, ob die Erkrankungen wirklich durch die Radioaktivität ausgelöst wurden. Es wurde lediglich ein Zusammenhang zwischen dem Wohnort und der Erkrankung vermutet. Da es sich um eine epidemiologische Studie handelt, ist sie ein deutliches Abbild der Realität. Anders als eine experimentelle Wissenschaft, kann sie keine „einzig wahre” Erklärung liefern. Dadurch ist die Studie angreifbar. Auch andere Einflüsse könnten die regionale Häufung von den Erkrankungen der Kinder erklären. Atomkraftgegner halten das jedoch für reine Spekulationen.

Das Bundesumweltministerium veranlasste daher eine Überprüfung der Studie. Die Strahlenschutzkommission (SSK) gab am 26. Februar 2009 die Ergebnisse bekannt. Die SSK sieht die KIKK-Studie kritisch und kommt so zu dem Ergebnis, dass die „Ursache für die beobachtete Erhöhung der Leukämierate bei Kindern in der KiKK-Studie” nicht klar werden würde. Die Ursache zu ermitteln war aber nun einmal nicht das primäre Ziel der KIKK-Studie.
Eine zweite Überprüfung wurde vom BfS selbst veranlasst. Wolfram König, der Präsident des Bundesamt für Strahlenschutz, sagte dazu: „Das Ergebnis der Studie ist belastbar. Es ist nach bisheriger Prüfung kein Fehler bzw. Irrtum bei der (…) Gewinnung und Analyse der Daten erkennbar”.

Trotz der überprüften Ergebnisse der KIKK-Studie wurde von der Bundesregierung am 28. Oktober diesen Jahres die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen. Die Reaktoren dürfen nun durchschnittlich noch zwölf Jahre länger laufen als bisher. Das Ende der Atomkraft ist jetzt nicht vor dem Jahr 2035 in Sicht. Kai Niebert, Vorsitzender der Naturfreundejugend, kritisierte am Tag der Laufzeitverlängerung in der Sendung „Maybrit Illner” (ZDF) scharf: „Heute hat die Regierung, in einem demokratisch sehr fragwürdigen Verfahren, den Tod von Kindern besiegelt”.
Schenkt man der KIKK-Studie nun Glauben, sind also noch weitere 25 Jahre lang Kinder in der Nähe von Atomkraftwerken möglicherweise gefährdet.

(Text: Regina G. Gruse)

Schreibe einen Kommentar