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Im Zug der Volksparteien werden Plätze frei

Da stehen Frank und Franz nun traurig an der Bahnsteigkante. „Letzter Aufruf Volkspartei”, schallt es durch die Lautsprecher. Doch anstatt noch schnell aufzuspringen, ziehen beiden Sozialdemokraten nur ein weißes Taschentuch aus ihrer Jacke. Sie nehmen Abschied.
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Am vergangenen Sonntag war die – zumindest in Politikerkreisen – heiß ersehnte Europawahl. Und auch, wenn die Verlierer bei der SPD im Nachhinein absolut kein Stimmungsbild aus der Bevölkerung ziehen wollen, die Union betrachtet sich als Gewinner und legt schon mal frische Bettwäsche für die kommenden vier Jahre im Kanzleramt bereit.

Senf der WocheDie beiden Frontmänner der SPD Frank-Walter Steinmeier und Franz Müntefering bemühen sich um Durchhalteparolen. Doch der Zug der Volksparteien scheint für die Sozialdemokraten abgefahren zu sein. Aus dem Waggonfenster winkt CSU-Parteichef Horst Seehofer. Mit einem hämischen Grinsen im Gesicht – und Angela Merkel im Schwitzkasten – verabschiedet er sich von der ehemaligen Volkspartei SPD.
Guido Westerwelle hat für seine FDP zwar auch noch keinen Fahrschein bekommen, strampelt allerdings mit seinem so genannten Guido-Öko-Mobil – einem handelsüblichen Fahrrad, ohne Bremslicht – hinterher. Er versucht zumindest noch den Anschluss zu halten.

Für die SPD war vor allem der Wähler Schuld am katastrophalen Abschneiden. Die Wahlbeteiligung war zu gering, die Themen wurden falsch verstanden. „Wie kann der Wähler nur so dumm sein und mitten in einer Wirtschaftskrise zur FDP umschwenken”, ist der Tenor aus dem Lager der Sozialdemokraten.
Mit knappen 21 Prozent liegen sie satte zehn Prozentpunkte hinter der Union. Wenigstens die Grünen (12,1 Prozent) konnten sie sich noch auf Distanz halten. Bei einem Blick auf die Bundesländer wird das ganze Ausmaß des Untergangs der SPD deutlich. Nur noch Bremen hisst die rote Flagge – hier liegt die SPD allerdings auch nur knapp vor der CDU.

Laut Sozialdemokraten hat eine Europawahl nur eine geringe Aussagekraft für die Stimmung in Deutschland. Für die Bundestagswahl sei also noch alles offen. Aber warum dann dieser Wahlkampf? Wieso Plakate mit dem Kanzlerkandidaten Steinmeier? Weshalb sind die EU-Spitzenkandidaten nur im Schatten der wirklich Großen aufgetreten?  Die Wahl ist vorbei und ein Großteil der Deutschen kann immer noch nichts mit den Namen Martin Schulz (SPD) und Hans-Gert Pöttering (CDU) anfangen – beide Spitzenkandidaten für das Europäische Parlament. Eine Wahl, bei der ich nicht weiß, wen ich wähle. Eine Wahl, bei der ich nicht weiß, warum ich wähle. Die Kandidaten sind unbekannt, die Inhalte schwer zu vermitteln.

Und dazu kommt, dass die direkte Macht des Europäischen Parlaments immer noch sehr eingeschränkt ist. Mit einer höheren Wahlbeteiligung wäre das eigene Machtverständnis des größten demokratisch gewählten Parlaments weltweit jedoch deutlich angewachsen. Gestiegen wäre damit auch die Chance einer Ausweitung der eigenen Möglichkeiten. Eine eigene Gesetzesinitiative zum Beispiel, oder eine eigene Regierung, die direkt aus dem Parlament hervorgeht.
Doch wie das genau funktioniert in Brüssel, kann während des Wahlkampfes im Bierzelt natürlich auch nicht erklärt werden. Wobei auf den Veranstaltungen ohne die bekannten deutschen Politiker im Grunde genügend Zeit gewesen wäre, jedem einzelnen – der aus unerklärlichen Gründen hier her verirrten –  Besucher die Europäische Union und die Wichtigkeit dieser Wahl zu erklären.

Der Zug der Volkspartei ist also abgefahren. Drinnen sitzt nur noch die Union. Horst Seehofer hat die Kanzlerin mittlerweile auf seinen Schoß genommen und freut sich über die zurückgewonnene Macht in Bayern. Die Bundestagswahl scheint entschieden. Spannend bleiben nur noch die Fragen, mit wem die Union in eine Koalition geht und ob die SPD ihre Position als zweitstärksten Kraft halten kann. Vielleicht liegt die Lösung darin, DIE LINKE einfach von der Bahnsteigkante zu stoßen. Die erhielten bei der Europawahl schließlich 7,5 Prozent der Stimmen, die die SPD gut gebrauchen könnte.

(Text: Konrad Welzel / Zeichnung: Christina Koormann)

Konrad W.

Konrad hat back view am 06. April 2007 gegründet - damals noch in diesem sozialen Netzwerk StudiVZ. Mittlerweile tobt sich Konrad ganz gerne im Bereich SEO aus.

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