Ich nominiere… Facebook
Ein Kommentar zu den sogenannten Biernominierungen
Online-Trends fegen wie Lauffeuer durch soziale Netzwerke. Ăberraschend sind sie eigentlich nur noch selten. Aber die Biernominierung auf Facebook findet doch irgendwie besondere Aufmerksamkeit.
Eigentlich dachte ich, seitdem ich meinen Facebookfreund Hans beim „Planken“ auf zwei Kamelhöckern bestaunen durfte und Franzi mir in einem Selfie-Video prĂ€sentiert hat, wie gut sie „Twerken“ kann, könnte ich mein alltĂ€gliches Stalking auf Facebook ohne gröĂere Vorkommnisse bedenkenlos fortsetzen.
Dachte ich mir so.
Doch dann ereilte ein neuartiger Trend aus Down Under auch meinen Newsfeed – ich wurde nĂ€mlich âbier-nominatedâ. Der Fachbegriff lautet dafĂŒr ânekominatedâ und setzt sich zusammen aus den englischen Begriffen „to neck“ (exen) und „to nominate“ (nominieren).
Kettenbriefe waren gestern!
Hans, der jeden Trend mitmacht, hat jetzt also auch mich nominiert. Das Prinzip dahinter ist einfach erklÀrt: Jeder der nekominated wurde, muss möglichst kreativ ein Bier exen und darf wieder weitere Freunde nominieren.
Unabdingbar ist aber das Selfie-Video meiner verrĂŒckten Aktion. Das lade ich danach bei Facebook hoch und kassiere zahlreiche virtuelle Schulterklopfer. So wie der Typ aus einem der Neknominate- Videos, der sein Bier nach feiner englischer Art kopfĂŒber aus einer KloschlĂŒssel trank. Dem Schneeballprinzip entsprechend nominiere ich dann wiederum drei andere Freunde.
Ich soll also ein Bier exen und dabei am Besten noch ein KunststĂŒck auffĂŒhren!? Ăbrigens: wer es nicht schafft oder die gewagte Nominierung gar nicht erst antritt, muss dem VorgĂ€nger „zur Strafe“ einen Kasten Bier spendieren
Wer hat’s erfunden?
Der Trend schwappte Anfang des Jahres von Australien nach Europa und in die ganze Welt ĂŒber. Möglicherweise entstand er im stillen KĂ€mmerchen eines geltungssĂŒchtigen Australiers, der beim Biertrinken die Selfie-Aufnahme-Funktion auf seinem Smartphone entdeckt hat.
Soziologen sehen den Ursprung dieses Trends im altbekannten Thema „Mutprobe“. Die Likes, die man sich mit diesen Videos einheimst, wirken bei vielen Menschen – aus evolutionsbiologischen GrĂŒnden natĂŒrlich vor allem bei MĂ€nnern – wie eine Art Anerkennung. Wer nominiert wird, gehört zu den AuserwĂ€hlten.
Wo Hans‘ Vorfahren Applaus erhielten, wenn sie die Beute in die Höhle zogen, prahlt er heute damit, was er sowieso am Besten kann. Denn sind wir mal ehrlich, der GroĂteil derer, die diesen Trend verfolgen, ĂŒbt sich sowieso jeden Freitag Abend im Kampftrinken.
Der gröĂte Kelch geht an…
Im weltweiten Vergleich sind wir Deutschen bei diesem Thema aber zum GlĂŒck noch harmlos. Fast schon langweilig. In anderen LĂ€ndern ist es – wie beim „Planken“ auch â bereits zu TodesfĂ€llen gekommen.
Ich trinke gerne Bier. Wenn es schnell gehen muss, exe ich es auch gerne. Allerdings nicht alleine an meinem Schreibtisch und vor allem nicht, wenn ich mich dabei wie ein selbstverliebter Teenie filmen soll.
Deswegen habe ich Hans jetzt einen Kasten Bier gekauft, damit er noch viele weitere Facebooker und besonders sich selbst mit seinem Online-Gebalze beglĂŒcken kann.
(Text: Laura Gassner / Keynan Dietrich by jugendfotos.de)
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