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Ich bin mal so frei

„Die Menschen wollen frei sein“, so kurz und knapp formulierte es einst Milton Friedmann, der Begründer des Neoliberalismus. Aber was heißt es, frei zu sein, Was ist schon dabei, ich bin mal so frei und frage mich, wie frei ist das, was wir als die Freiheit bezeichnen?[divide]

Endlich FREI!

„Freedom“ titelte die britische Zeitung The Daily May am 29. März diesen Jahres. An diesem historischen Datum verkündete die britische Premierministerin Theresa May offiziell den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. „Independence Day“ jubelte The Sun fast ein halbes Jahr zuvor, als sich eine knappe Mehrheit der Briten für den Brexit entschieden hatte. Freiheit scheint ein Motiv zu sein, dass die Menschen schon immer bewegt hat.

„Give me your tired, your poor, your huddled masses yearning to breathe free”, begrüßt Lady Liberty seit 1883 die Menschen, welche sich aufmachen, das “Land der Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten” zu erreichen, um sich dort ein besseres Leben aufzubauen.

„Solange ist unsere Hoffnung nicht verloren, die Hoffnung zweitausend Jahre alt, zu sein ein freies Volk in unserem Land“, lautet der Text der israelischen Nationalhymne, HaTikwa, „Somos libres“- Wir sind frei“, so besingt es die Nationalhymne Perus. Der Wahlspruch des heutigen Griechenlands „Ελευθερία ή Θάνατος- Freiheit oder Tod“, ringt es noch knapper auf den Punkt, was einst der französische Existentialist Jean Paul Satre aussprach: „Der Mensch ist dazu verurteilt, frei zu sein“. „Freiheit ist das einzige was zählt“, die gleichnamige Ballade des Musikers Marius Müller Westernhagen macht dies deutlich. „Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, so steht es im Grundgesetz fest verankert.

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Frei von Freiheit?

„Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.”

Die einleitenden Worte der amerikanischen Verfassung sind heute Grundlage unserer westlichen Demokratien.

Aber warum bedauert dann der französische Philosoph Jean Jacques Rousseau: „Der Mensch wird frei geboren, doch überall liegt er in Ketten.“ Betrachten wir zunächst den Naturzustand, die Erde ist wüst kahl. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde und am sechsten Tag schuf Gott den Menschen nach seinem Bilde, oder wie es später der Religionskritiker Ludwig Feuerbach formulierte, der Mensch Gott nach seinem Willen, dem freien Willen.
Dieser ist es, welcher zunächst den Naturzustand bestimmt. Der Mensch ist für sich und hat die absolute Freiheit, alles das zu tun und zu lassen, was ihm oder ihr gefällt. Robinson Crusoe ist auf seiner einsamen Insel formal vollkommen, absolut frei, doch weiß er das auch?

Sobald die grenzenlose Freiheit des einzelnen an die grenzenlose Freiheit des anderen gerät, sie selbst an ihre Grenzen. Bereits zu reinen biologischen Erhaltung der „Gattung Mensch“ braucht es zwei verschiedene Menschen. Jeder Mensch muss Essen, um allein zu existieren und konkurriert mit anderen um die lebenswichtigen Ressourcen. Damit unterscheidet er sich aber nicht vom Tier, ist sich ein Wolf. Basale Bedürfnisse werden zum Zwecke höherer Bedürfnisse erfüllt. Wir gehen arbeiten, um Geld zu verdienen, um von diesem Geld zu leben, um damit früher oder später Konsumgüter zu kaufen. Aber hoffentlich gehen wir auch arbeiten, weil es uns Freude bereitet und wir es gerne tun. Die Maslowsche Bedürfnispyramide bezeichnet die Selbstverwirklichung als das höchste Bedürfnis.

Alf tat immer, was ihm Spaß macht

Diese wird nicht mehr zum Zweck eines höheren Gutes angestrebt, sondern ist sich selbst der Zweck. Einfacher formuliert mit den Worten des Außerirdischen Alf: „Warum tust du das? Weil es Spaß macht.“ Dies ist die Freiheit, zu wählen und zu bestimmen, welche den Menschen vom Tier unterscheidet und ihn zu einem Freiheits- und Vernunftwesen formt. Dabei ist jeder Mensch in unserem Verständnis schon in seiner Freiheit zu achten.

Aber wie sollen Robinson Crusoe oder Freitag dies wissen? Über Jahrhunderte schienen die Sklaverei, die Ständegesellschaft, Zensur, die vermeintliche natürliche Überlegenheit bestimmter Gruppen über andere vollkommen legitim und selbstverständlich zu sein, wurde als die „natürliche Ordnung“ der Welt dargestellt und verstanden. „Die Versklavung des Menschen beginnt damit, dass man ihn für dumm verkauft“, konstatierte der Immunologie Gerhard Uhlenbruck. Es folgten die Aufklärung, die Befreiung aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, wie es Immanuel Kant beschrieb. Die französische Revolution forderte „Egalité, Liberté et Fraternité“, die amerikanischen Sklaven wurden befreit, die Erklärung der Menschenrechte folgte, die Emanzipationsbewegungen, forderte gleiche Rechte für alle ein. Der Philosoph Gottfried Wilhelm Hegel sieht die gesamte Weltgeschichte, als einen Weltgeist, der sich seiner Freiheit immer mehr bewusst wird.

Schließlich folgte das Ende des Kalten Krieges, die Etablierung der Europäischen Union, sowie die Ausbreitung des demokratischen Modells in der Welt. Man sprach gar vom „Ende der Geschichte“, der große Traum von Freiheit habe sich nun erfüllt, die Geschichte hätte ihren Zweck erfüllt und befreit.

Freilich?!

Damit ist die Geschichte von der Freiheit aber noch lange nicht zu Ende, sondern hat gerade erst begonnen. Formal haben wir sicher viele neue Freiheiten hinzugewonnen, dazu gehören die Freiheit der Meinung, des Glaubens, der Weltanschauung, die freie Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit wie es das Grundgesetz schreibt, kurzum die Möglichkeit in Einigkeit und Recht und Freiheit zu leben. Aber sind wir heute wirklich so frei, wie wir uns fühlen?

Heute scheint der technische Fortschritt schier unbegrenzte und ungeahnte Möglichkeiten geschaffen zu haben. Freihandel und ein möglichst freier Wettbewerb erscheinen nötig, diese zu realisieren. „Geld ist geprägte Freiheit“, meint der russische Schriftsteller Dostojewski.

Aber ist das schon alles? „Freiheit ist mehr als nur die inhaltsleere Abwesenheit von Zwang“, erinnerte Bundespräsident Roman Herzog. „Freiheit bedeutet Verantwortlichkeit. Das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten“, erläutert George Bernard Shaw.
Über diese Verantwortung wird derzeit heftig diskutiert. Terrorismus beflügelt die Debatte, über Sicherheit zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten aber auch auf Kosten dieser.
Unter Berufung auf die Meinungsfreiheit werfen sich gegenseitige Lager vor, für die „Wahrheit“ und „richtige Meinung“ gegen „Fakenews“ und die „falsche Meinung“ zu sprechen. Die Frage nach der Freiheit des Glaubens und dem Recht, nichts zu glauben, spaltet die Meinungen. Machen Religionen wirklich unfrei, oder sind sie nur eine andere Interpretation von Freiheit? Kurzum Freiheit egal, wie kann ganz schön unfrei machen.

Dabei geht es nicht einmal um die großen weltpolitischen Themen. Freiheit, leitet sich vom altgermanischen fri-halsa, „jemand dem sein Hals selbst gehört“ ist dem Menschen zu eigen.
„Ich war noch nie so richtig frei“, bedauerte schon Udo Jürgens. „Noch einmal voll von Träumen sein und aus der Enge sich befreien“, wünscht sich so mancher. Dennoch streben wir danach, gesellschaftliche und wirtschaftliche Erwartungshaltungen zu entsprechen. Wozu die ganzen Mühen und Plackerei, die Sisyphosaufgaben, jeden Tag unseren persönlichen Stein den Berg der Ausbildung, Beruf und Gesellschaft hinaufzuschleppen? Aber Albert Camus sieht genau Sisyphos als den freiesten und glücklichsten Menschen, da dieser es geschafft hat, sich einen Sinn zu geben, frei zu sein.

Frei heraus

Wie frei ist also das, was wir heute als Freiheit bezeichnen? „Die Welt hat nie eine gute Definition für das Wort Freiheit gefunden“, erkannte einst Abraham Lincoln. Freiheit kann nicht der Unfreiheit eines anderen existieren. Daher will Freiheit immer wieder neu errungen werden, ermutigt der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. „Wer von seinem Tag nicht mehr als zwei Drittel für sich hat, ist ein Sklave“, erkannte einst Friedrich Nietzsche.

„Man kann sich nur befreien, indem man sich selbst befreit“, rät Jean Paul Satre. Freiheit bedeutet somit, eine Ordnung zu finden, die es allen Menschen ermöglicht, sich frei zu fühlen. Ihr Leben so zu gestalten, wie sie es möchten. Die Gedanken sind frei, so bin ich so frei zum Schluss zu bemerken „ I ve been looking for freedom, but the search goes on“. Freiheit muss immer wieder neu gefunden und erfunden werden, denn es hat sich immer gezeigt und bewahrheitet, „ die Menschen wollen frei sein“.

Stephan R.

Stephan interessiert sich für Warum und die Welt: Seit 2014 gehe ich für backview.eu scheinbar alltäglichen Dingen auf den Grund, betrachte warum manches so ist wie es ist. Wenn ich nicht gerade an einer neuen Idee für einen Artikel sitze, beschäftige ich mich gerne mit Fotographie oder Fremdsprachen oder widme mich meinen Politikstudium.

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