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Homosexualität + Bibel – wie passt das zusammen?

Die Frage nach der Einstellung des Christentums zur Homosexualität hat in letzten Monaten viel Aufsehen erregt: Im Rahmen des “Christivals”, einem christlichen Jugendfestival in Bremen, war ein Seminar geplant, das “Chance zur Veränderung” für Homosexuelle anbot. Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck – selbst homosexuell und ebenfalls Christ – bezeichnete das Seminar als “Scharlatanerie” und verwies auf Misserfolge von Therapieangeboten in den USA, die Ex-Homosexuelle in schwere Depressionen oder sogar den Suizid geführt haben. Die Veranstalter nahmen das Seminar zwar zurück, distanzierten sich jedoch nicht inhaltlich.

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Was sagt die Bibel?

Die Bibel findet im dritten Buch Mose (“Leviticus”) in den Kapiteln 18-20 harte Worte, was Homosexualität betrifft – in einer Reihe mit Inzucht und Sodomie wird sie im Namen Gottes verboten. Als Strafe wird der Tod verlangt. Als die US-Moderatorin Laura Schlessinger vor einigen Jahren das Thema Homosexualität mit dem Verweis auf Leviticus 18,22 ad acta legte, kursierte im Internet ein offener Brief mit Fragen wie “Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie?” In der Tat gibt gerade im sogenannten “Heiligkeitsgesetz” in Leviticus unzählige Vorschriften, die heute nicht mehr umsetzbar sind.

Die Frage, wie die Bibel im Bezug auf Homosexualität auszulegen sei, wird schon seit Jahren diskutiert. Neben dem Verweis auf Leviticus wird ein Verbot der Homosexualität zum Beispiel aus der Schöpfung als Mann und Frau abgeleitet.Im Neuen Testament gibt es zwar keine Aussagen von Jesus zum Thema, aber im Korintherbrief sagt Paulus: “Lehrt euch nicht auch die Natur, dass es für einen Mann eine Unehre ist, wenn er langes Haar trägt, aber für eine Frau eine Ehre, wenn sie langes Haar hat?” Als Lehrmeister wird also die Natur angeführt, eine klare Verteilung von Männer- und Frauenrollen wird hier begründet, die Jahrhunderte Bestand haben wird und in der Homosexualität keinen Platz hat.

Die Diskussion, ob die “Widernatürlichkeit” der Homosexualität auch wirklich in der Natur wissenschaftlich nachweisbar ist oder die klare Rollenverteilung zwischen Mann und Frau wirklich schon seit Urzeiten existiert, beschäftigt Psychologen und andere Wissenschaftler sowohl der Befürworter als auch der Gegner der Homosexualität – und würde viele Blätter füllen. Von der WHO und den meisten Medizinlexika wird Homosexualität heute nicht mehr als “Krankheit” angesehen, was auch die größte Mehrheit der Wissenschaftler so sieht.

In jedem Falle kommt man bei der Lektüre der Bibel zum Schluss, dass es keine biblischen Aussagen gibt, die Homosexualität in eine positive Beziehung zum Willen Gottes setzen – im Gegenteil. Festzuhalten ist jedoch gleichzeitig, dass das Thema eine untergeordnete Rolle spielt, weil es in den Evangelien nicht thematisiert wird. Einige Ausleger meinen zudem, dass sich das Verständnis von Homosexualität derart geändert habe, dass die biblischen Aussagen ihre Gültigkeit nur im damaligen gesellschaftlichen Kontext hatten.

Wie sieht die kirchliche Praxis aus?

Anhand der evangelischen Kirche, der katholischen Kirche und der Tendenz in den Freikirchen soll versucht werden, die konfessionellen Unterschiede zu beobachten. Bei aller Beobachtung “von oben” darf jedoch natürlich auch nicht außer Acht gelassen werden, dass in vielen Gemeinden längst eine andere Einstellung zur Homosexualität Eingang gefunden hat, als in den offiziellen Stellungnahmen gefordert wird. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die Öffnung katholischer Gemeinden als auch auf die Tendenz einiger evangelischer Gemeinden, homosexuelle Lebensentwürfe stärker zu hinterfragen.

Bibel und Homosexualitaet

Evangelische Kirche

Die Frage nach “Homosexualität + Bibel” wird in der evangelischen Kirche an zwei Stellen deutlich: Der Segnung von homosexuellen Paaren und der Beschäftigung von homosexuellen Pfarrern und Pfarrerinnen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ermöglicht eine Heirat von homosexuellen  Paaren. In der Kirche sind jedoch die sogenannten “Homo-Ehen” aufgrund  des bereits geschilderten biblischen Befunds umstritten. In jedem Fall gibt es keine “Hochzeit”, in einigen evangelischen Landeskirchen sind jedoch Segnungsgottesdienste möglich.

Diese berufen sich auf die “Bejahung ihrer ethischen Gestaltung [meint die Gestaltung der homosexuellen Beziehung] gemäß dem Willen Gottes” (“Mit Spannungen leben”, Orientierungshilfe des Rates der EKD, 1996). Auch wenn die Bibel Homosexualität infrage stellt, wird vom “Gesamtzeugnis” der Schrift her für wichtiger erachtet, mit seiner Entscheidung für eine Beziehung auch vor Gott zu treten und um seinen Segen für diese zu bitten. Die Ehe bleibt Mann und Frau vorbehalten, da Ehe und Familie das Leitbild bleiben sollen.

Ähnlich wird auch bei der Frage der Ordination von homosexuellen Pfarrerinnen und Pfarrern argumentiert. In den meisten evangelischen Landeskirchen ist die Anstellung kein Problem dar und wird lediglich von einigen dienstrechtlichen Auflagen begleitet.

Katholische Kirche

In der katholischen Kirche wird es Homosexuellen deutlich schwerer gemacht. Bereits 1986 hat der jetzige Papst Benedikt XVI seine Position im Buch “Über die Seelsorge für homosexuelle Personen” beschrieben. Die “Neigung” an sich sei zwar nicht sündhaft, aber im Hinblick auf die “Weitergabe des Lebens” sei die Auslebung der homosexuellen Sexualität sündhaft. Diese Positionen setzt der ehemalige Professor auch als Papst durch.

So heißt es im Hinblick auf die Weihe von homosexuellen Priesterkandidaten: “Die Kirche [kann] – bei aller Achtung der betroffenen Personen – jene nicht für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen zulassen […], die Homosexualität praktizieren, tief sitzende homosexuelle Tendenzen haben oder eine so genannte homosexuelle Kultur unterstützen.” Außerdem wird im Gegensatz zu evangelischen Äußerungen eindeutig die Rücknahme der Anerkennung homosexueller Partnerschaften auf politischer Ebene gefordert und ein politisches Engagement der Gläubigen gefordert.

Freikirchen

Auch wenn es bei Freikirchen aufgrund ihrer Struktur keine vergleichbaren berggeemeindlichen Gremien gibt, die Stellungnahmen zu dem Thema Homosexualität veröffentlicht haben und das Spektrum sehr breit ist, lässt sich zumindest für die meisten Gemeinden des sogenannten “evangelikalen” Spektrums sagen, dass sie einen ähnlichen Standpunkt vertreten. Homosexualität wird von den meisten Evangelikalen – bekannt geworden sind Äußerungen von Roland Werner, Ulrich Parzany oder Jürgen Werth — als “Zielverfehlung” gesehen. Dabei gibt es auch eine Tendenz, dies wissenschaftlich zu untermauern und Aufklärungsarbeit anzubieten.

Zum Beispiel ist die “Offensive Junger Christen” als “verbundenes Werk” Mitglied in der Evangelischen Allianz, einem Dachverband der selbstständig organisierten freien Gemeinden. Teil der OJC ist das “Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft” (DIJG), dass bei einem selbstbestimmten Umgang mit Homosexualität helfen will, der auch Veränderungstherapien einschließt.

Mein Fazit zu Homosexualität + Bibel

Ein Blick in die religiöse Landschaft zeigt, dass es weder den einen biblischen Befund noch die eine christliche Meinung gibt. Das Spektrum reicht von der Forderung nach Gleichberechtigung homosexueller Lebensentwürfe auch in der Heirat bis zur Ablehnung der Homosexualität als Sünde. Zu beachten ist, dass die Öffnung für Homosexualität auch eine Öffnung für alternative Lebensentwürfe generell bedeuten würde, einen Abschied von der Ehe allein zum Zweck der Fortpflanzung, der durch die Verhütungsmöglichkeiten und veränderte Sozialstrukturen ohnehin obsolet geworden ist. In jedem Fall übersieht eine Beschränkung der Berichterstattung auf “Christen versus Homosexuelle”, wie oft in den letzten Wochen geschehen, die jahrzehntelange Diskussion innerhalb der einzelnen Kirchen, insbesondere die Arbeit der Verbände, die sich für praktiziertes Christentum als Homosexuelle/r einsetzen.

(Text: Sebastian Helwig / Foto: Frieder Knabe by jugendfotos.de)

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