BrennpunkteGesellschaft

High Heels und Kalaschnikow

Was es heißt, in einer Demokratie geboren zu werden, wird im Vergleich ziemlich deutlich. Demokratie gibt Freiheit, das tun zu können was man will und Rückhalt um es zu schaffen.

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In Diktaturen oder Kriegsgebieten werden die Möglichkeiten kleiner und kleiner, bis nur noch die Wahl zum Soldatenleben vor dem jungem Schicksal steht, um nicht auf die Straße umzuziehen.

Doch bleiben wir hier, in unserem gewohnten, ausgelatschten, manchmal eintönigem Rhythmus und richten die Scheinwerfer auf die junge Generation, welche mit so rosigen Bedingungen hier erwachsen werden kann: Bildung, Wohlstand, gesicherte Verhältnisse. Wobei beim zweiten Blick, der Sozialstaat mit seinem Wohlfahrtsgedanken etwas wackelig dasteht. Immerhin können wir auf die Straße gehen, ohne Angst ermordet zu werden. Außer es wird den Reden der IS – Kämpfer zu viel Glauben geschenkt und ein Bombenattentat vermutet. Also ja, auch wir leben nicht in der heilen Welt. Aber im Gegensatz zu anderen Flecken dieser Erde leben wir in ganz komfortablen Umständen.

Kommentar zu Kindersoldaten

Das Leben der Kinder in westlichem Wohlstand

Mit 14, 15 Jahren wird so viel zum ersten Mal gemacht, ausprobiert. Mädchen quetschen ihre Füße in wunderschöne High Heels und verwandeln sich in zuckersüße Puppen. Jungs greifen zum Rasierer und zeigen ihre Männlichkeit, indem sie beim Rauchen draußen den frierenden, weiblichen Geschöpfen Pullis leihen und literweise Alkohol in sich schütten. Die geschlechtlichen Rollenbilder werden dabei manchmal überzogen kopiert.
Grenzen werden lächerlich gemacht bis die Konsequenzen unausweichlich folgen. Als Kind noch mehr der Umwelt ausgeliefert, war es nicht so leicht auszubrechen aus festgelegten Routinen, Kindergarten, Schule, Kurse. Aber je älter, desto mehr Freiheiten, desto mehr Verantwortung.

„Was wird einmal aus mir?“ Dieser Satz springt Jugendlichen spätestens nach ihrer Schulpflicht ins Bewusstsein, festgelegte Lebensläufe sind ausverkauft. Individualität und Risiko stehen nun im Angebot. Es wird auch fleißig eingekauft, um seinen einzigartigen Geist zu entfalten und zu präsentieren, ob Online oder im Jetzt und Hier. Entscheidungen können leider nicht konsumiert werden. Es wird in unserer Gesellschaft verlangt zu wissen, was man will. Unterstützung ja, aber es muss schon was kommen: Wille, Motivation, Durchhaltevermögen.

Szenenwechsel: Überleben als tägliche Herausforderung

Kämpfen ohne Werte, ohne Denken anfangen zu wollen, das scheint das Leber unzähliger Kinder und Jugendliche zu sein. Dazu steht das Leben in einem Staat wie Deutschland, Österreich oder anderen europäischen Ländern krass im Gegensatz. Während wir Überleben als alltägliche Voraussetzung empfinden, ist das Leben von Soldaten täglicher Pokereinsatz. Sie müssen sich morgens nicht zwischen Müsli oder Brot mit Marmelade entscheiden, sondern ihnen wird die Freiheit genommen. Dafür bekommen sie Drogen und ein Gewehr, ab und zu werden sie ausgepeitscht. Im Rausch töten, leiden ohne ein Ende zu sehen.

Die Zeit zum Spielen versickert für diese Kinder so unerwartet wie das Blut ihrer getöteten Eltern. Das Einzige was ihnen oft noch Sicherheit bieten kann, ist der Krieg. Und sie gehen mit ihm als naive Partner ins Geschäft. Sie erhalten Macht über Leben und Tod und nicht wenige werden süchtig davon, Töten wird positiv interpretiert. Aggression braucht es zum Überleben und Beherrschung der Gefühle, wie bei uns nicht selten im Umgang mit Mitmenschen am Arbeitsplatz, an der Kasse oder in der U-Bahn, ist nutzlos. Wofür auch? Außerhalb des Kriegsspiels sehen viele Kindersoldaten keine Perspektive, da sie außer ihrem Gewehr, der Kalaschnikow, nichts in der Hand haben.

Ein Gefühl der Ohnmacht

Wir können nichts dafür woher wir kommen, ob wir als Baby die Welt im Kongo oder in Europa kennenlernen. Und doch werden wir genau von unserer Herkunft geprägt. Ob wir scheu durchs Leben gehen wie ein verängstigter Hase, ob wir veggie sind oder ob wir ohne innezuhalten drauflosschießen müssen.

Das Schicksal der Kindersoldaten lässt schlucken, verstummen, die Wörter fallen in Ohnmacht. Es drängt sich die Frage auf, wieso unschuldige Menschen schuldig werden, wieso es Krieg gibt. Konflikt liegt in uns. Aber Konflikt kann konstruktiv genutzt werden, kreativ verwandelt werden und ist Anlass zu Veränderung.

(Text und Foto: Anna Luther)

Anna L.

Anna Luther schreibt seit Februar 2015 bei backview.eu und interessiert sich für gesellschaftliche, kulturelle und politische Thematiken. Sie studiert in Wien Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Philosophie.

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