Kultur

Ständige Fehlalarme an der Uni Augsburg

An meiner Uni Augsburg häufen sich die Fehlalarme der Brandmeldeanlagen. Ein paar Mal kann das ja noch passieren. So langsam ist es aber kaum noch nachvollziehbar. Neben dem Mitleid für die anrückenden Feuerwehrleute steigt aber auch die Ignoranz gegenüber den Alarmen.

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Mikroskopisch kleine Schneeflocken fallen aus der dünnen Wolkendecke. Aus meinem gut beheizten Büro im Erdgeschoss der Phil-Fakultät der Uni Augsburg beobachte ich das Winterwetter. Es ist Mitte März, man ist es hier gewohnt, dass die dunkle Jahreszeit nun ihre letzte weiße Karte ausspielt. In einigen Tagen beginnt der Frühling. Es ist eiskalt draußen, dick bepackt kommen einzelne Menschen ins Gebäude, suchen Schutz vor der Witterung und machen sich an ihre tägliche Arbeit.

Historische Darstellungen in digitalen Medien, kein typisches Forschungsthema für einen Historiker, aber wenigstens pseudo-innovativ. Die Menge an pädagogischer Fachliteratur ist riesig, historische hingegen überschaubar. Natürlich wird das Feld von den Medienwissenschaften beherrscht. Dementsprechend stapeln sich die Bücher über Game Studies, Movie Studies und Spieltheorien vor dem Fenster. An diesem Morgen nimmt die Forschungsarbeit fast eine Stunde ungestört ihren Lauf.

Fehlalarme an Uni Augsburg

Der schrille Ton der Brandmeldeanlage reißt mich deshalb aus einer tiefen Konzentration. „Achtung, Achtung, dies ist ein Feueralarm. Bitte verlassen Sie das Gebäude umgehend über die nächsten Fluchtwege. Die Feuerwehr ist alarmiert.“ Da ist es wieder, ich habe es in den letzten Wochen schon fast vermisst. Die Brandmeldeanlage läuft wieder Amok.

Keine Angst vor einem Brand an der Uni Augsburg

Es ist die alte Leier. Feueralarme sollte man ernst nehmen, sie entscheiden manchmal über Leben und Tod. Irgendwie sind sie aber auch wie gute Ratschläge. Bekommt man einen, nimmt man ihn noch ernst. Bekommt man aber den gleichen Ratschlag immer und immer wieder, obwohl man ihn schon längst für schlecht befunden hat, lässt das einen irgendwann kalt.

Ich ignoriere den Rat des Herrn aus den Lautsprechern vorerst. Seelenruhig und ohne jeden Anflug von Eile tippe ich meinen Satz fertig. Ich schreibe noch einen. Und noch einen. Es ist grotesk, der Feueralarm beflügelt meinen Arbeitsdrang. Nach endlosen vier Minuten schlinge ich meinen Schal um den Hals, packe meine Jacke aus der Schrankgarderobe und gehe die wenigen Meter zum Gebäudeausgang.

Draußen warten bereits zwei Mitarbeiter, die sich die Hände reiben und nicht wintertauglich angezogen sind. Ich erkenne sie aus der Ferne, sie sind erst seit ein paar Wochen hier beschäftigt. Sie haben aus Angst das Gebäude sofort verlassen, ohne sich eine Jacke anzuziehen. Es wird nicht ihr letzter Feueralarm in dem Gebäude sein, da bin ich mir sicher.

Behäbig steigt der Einsatzleiter, ein Mann Mitte vierzig mit leichtem Bartansatz und standesgemäßem weißen Helm, aus dem Löschzug. Die Mitarbeiter, Wissenschaftler und Studenten schauen gespannt auf die anrückenden Helfer. Mit großen Schritten und einem Einsatzplan in der Hand geht der Feuerwehrmann ins Gebäude. Ein Blick trifft einen Techniker der Universität, der bereits auf ihn wartet. Sie verschwinden im Gebäude.

Und es brennt wirklich

Nur wenige Menschen stehen draußen, es ist noch früh für den Wissenschaftsbetrieb. In den Fenstern des Betonbaus sieht man vereinzelt Gesichter, die unentschlossen nach draußen blicken und wohl noch überlegen, ob sie die Flucht antreten sollen oder nicht. Das Gefahrenpotential in einem übersichtlichen, nur dreistöckigen und weitläufigen Gebäude ist zu gering, als dass die Feuerpanik um sich greifen würde.

Kurze Zeit später kommt der Einsatzleiter wieder aus dem Gebäude und signalisiert mit einer kurzen Handbewegung seinem Einsatzteam, dass die Löschzüge wenden sollen. Der Einsatz ist beendet, mal wieder. Es ist ein Fehlalarm, genau wie vor zwei Wochen, auch damals war es ein Vormittag. Ich mache mich auf den Weg in die Cafeteria, entdecke schon auf dem Weg dorthin Studenten, die in aller Ruhe im Gebäude geblieben sind. Der Alarm hatte seine Wirkung flächendeckend verfehlt, mal wieder.

Seit acht Jahren kenne ich dieses Gebäude der Uni Augsburg, hier habe ich studiert und bin heute Mitarbeiter. Ich kann mich aus meiner Studienzeit an einen einzigen Alarm erinnern, ausgelöst durch einen Brand in der Cafeteria. Vor einigen Jahren wurde schließlich eine neue Brandmeldeanlage eingebaut, seitdem gehören die Alarme mit dem schrillen Ton und der monotonen Beamtenstimme zur fast wöchentlichen Routine.

Dass die Feuerwehrleute von der Häufigkeit der Fehlalarme sichtlich genervt sind, ist für jeden hier nachvollziehbar. Bei Einsätzen dieser Größenordnung mit mindestens zwei Löschzügen fallen oftmals Kosten von mehreren tausend Euro an. Ein solcher Einsatz bedeutet für die Helfer außerdem einen enormen Stress, bei einem richtigen Großbrand an einer Universität gestaltet sich ein Rettungs- und Brandbekämpfungseinsatz nicht einfach. Umso schlimmer, dass die Feuerwehr immer wieder mit Fehlalarmen gerufen wird und dadurch unnötig in eine psychische Alarmbereitschaft versetzt wird.

Was kostet die Sicherheit?

So geht es nun seit fast zwei Jahren, Feueralarme gehören an unserer Fakultät mittlerweile fast zum Alltag. Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser wäre, wenn es wirklich einmal brennen würde. Nicht besonders schlimm, nur ein kleiner Brand in einem Mülleimer, um etwas Spannung aufkommen zu lassen. Irgendwie bemerkenswert, dass es seit diesen zwei Jahren nicht gelingt, die Brandmeldeanlage so einzustellen, dass nicht bei jedem zu heißen Kaffee oder Baustaub ein Alarm ausgelöst wird.

Besserung ist nicht in Sicht. Eine komplette Überarbeitung der Brandmeldeanlage würde Kosten verursachen, die die Universität derzeit nicht tragen möchte. Man spielt auf Risiko und vertraut darauf, dass sich mit wenigen Feinjustierungen in Zukunft keine Probleme mehr auftreten. In einigen Wochen wird die Feuerwehr wieder anrücken, da bin ich mir sicher. Hoffentlich haben wir dann besseres Wetter.

(Foto: Michael Hallermayer by jugendfotos.de)

Robert R.

Wenn Robert mal groß ist, will er es auch bleiben. Bis dahin verbringt er seine Zeit in virtuellen Welten und denkt, redet und schreibt über Filme, Spiele sowie über Gesellschaftsthemen. Der studierte Historiker arbeitet dazu noch als IT-Berater und verreist gern mit dem Fahrrad, um Länder und Leute kennenzulernen.

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