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Ein rares Exemplar

Die Prüfungen sind vorbei. Und Notenschluss ist nächste Woche, der Unterricht ist dann auch vorbei. In einem guten Monat ist Schluss. Jetzt ist es Mitte Februar. Was liegt also nun hinter einem Dreizehner?[divide]

Da man in Rheinland-Pfalz das vorgezogene Abitur hat, liegen die Prüfungen schon Mitte Januar. In meinem Fall gingen die auch schnell vorüber. Drei Prüfungen innerhalb von sechs Tagen. Wer die gleiche Fächerkombination hatte, war so als erstes mit allen Prüfungen fertig. Während man selbst im Facebook Dinge posten konnte wie „es ist geschafft” oder „endlich wieder leben”, beneideten einen diejenigen, die noch schreiben mussten.

Abitur

Aber ganz ehrlich? Beneidenswert ist es nicht wirklich, innerhalb von sechs Tagen (Mittwoch bis Montag) drei Abiturklausuren zu schreiben. Es ist purer Stress, auch, wenn die freie Zeit und das Gefühl danach sehr sehr gut sind. Neben physischem Stress, ist es aber vor allem eine psychische Belastung. Eigentlich zähle ich nicht wirklich zu den Leuten, die Prüfungsangst haben. Aber als ich an jenem Mittwoch morgens in die Schule kam, war es schon irgendwie komisch. Als erstes war ich es überhaupt nicht gewöhnt schon so früh da zu sein. So früh, dass der Aufenthaltsraum noch nicht mal offen war. Dann war da auch die angespannte Stimmung. Alle waren so still und schauten nur als ob die Welt gleich unter geht. Und wenn dann auch noch manche meinen fünfzehn Minuten vor der Prüfung anfangen zu müssen, Fragen zu Romanen und Epochen zu fragen, dann nervt das doch ziemlich.

Obwohl die Prüfungen nicht länger waren als zuvor, kam mir vor allem die Deutschprüfung schon so ziemlich ewig vor. Ich musste für Deutsch etwa sieben Werke vorbereiten. Natürlich, kam das dran, welches ich so ziemlich gar nicht gelernt hatte. Ich wich also auf den Sachtext aus, den Gedichtvergleich habe ich ungelesen sofort zur Seite gelegt. Eigentlich habe ich mir naher noch nie Gedanken über eine Klausur gemacht. Nach Deutsch war ich total am Ende, ich glaube nicht, dass es gut gelaufen ist und, das obwohl ich in Deutsch am besten abschneiden wollte.

Die Schwierigkeit besteht nun darin, dass sofort hinter sich zu lassen und sich auf den Rest zu konzentrieren. Schließlich stand der nächste Test schon zwei Tage später an. Sozialkunde und Englisch liefen wesentlich besser. In Sozialkunde konnte ich mich nicht mal richtig entscheiden, da ich beide Themen gut vorbereitet hatte. In Englisch kam zum Glück kein Shakespeare. Wenn es so gekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich nach einer Stunde heulend den Raum verlassen.

Nach diesem ziemlich krassen Stress, hatte ich erst mal drei Wochen frei. Anfangs wusste ich gar nicht so richtig, was ich mit der ganzen freien Zeit anfangen sollte. Inzwischen hat die dreizehnte Klasse wieder seit zwei Wochen Unterricht. Was nicht wirklich logisch ist, denn nach drei Wochen Unterricht ist dieser auch wieder rum. Und dann haben wir bis zum Mündlichen Abitur Ende März frei. Verstehen tue ich es nicht. Verstehen tue ich vor allem nicht, warum wir jetzt noch Tests schreiben und Referate vorbereiten müssen. Wahrscheinlich ist es eine Präventionsmaßnahme, dass wir überhaupt im Unterricht erscheinen. Nützen tut es nicht wirklich.

Der Dreizehner ist nämlich in diesen Tagen ein sehr seltenes Exemplar. Sein Aufenthaltsort ist nunmehr nicht mehr die meiste Zeit die Schule, sondern zu Hause, bei Freunden, in der Stadt. Der Durchschnittsdreizehner fehlt zwei von fünf Schultagen. Und vor der dritten Stunde lässt sich sowieso nur die Hälfte der Stufe blicken. Der Durchschnittsdreizehner hat auch schon mit der Schule abgeschlossen, was im Unterricht passiert interessiert gut 90 Prozent nicht mehr. Die meisten Lehrer wissen das und können das auch verstehen. (Zitat von einem Lehrer: „Ja, ihr könnt jetzt auch gehen, ich kann euch ja nicht zwingen jetzt noch hier rumzuhängen, ihr habt euer Abi geschrieben, ich war auch mal in der 13 und da hatte ich auch keinen Bock mehr”)

Die meisten Lehrer wollen das nur nicht so offen zugeben. Und deshalb wird man als Dreizehner auch noch mit Hü’s und Referaten gequält. Es ist die reinste Beschäftigungstherapie. Aber irgendwie merkt man es auch, dass man nicht mehr so wirklich an der Schule ist. Nach der langen unterrichtsfreien Zeit ist es seltsam zurück zukommen. Auch weil man sich nicht mehr als „Teil” dieser Gemeindeschaft fühlt.Die anderen Oberstufenjahrgänge freuen sich auch nicht sonderlich über unsere Rückkehr.

Die müssen sich nämlich jetzt den Aufenthaltsraum wieder mit uns teilen. Und von den Lehrern wird man lächelnd empfangen: „Ach seid ihr auch wieder da”. Man ist kein richtiger Schüler mehr, man ist aber auch noch kein Absolvent. Man ist irgendwo zwischen drin. Und das heißt, dass wir in den Unterricht kommen müssen und so tun müssen, als ob uns das noch irgendwie interessieren würde.

Ich persönlich halte das nicht mehr lange aus. Warum soll man denn jeden morgen aufstehen, für praktisch nichts? Viel passiert doch ohnehin nicht mehr. Dazu fehlt auch einfach die Motivation. Ich habe jetzt noch eine Woche Unterricht und dann bekommen wir auch unsere Ergebnisse genannt. Wenn man genau darüber nachdenkt, dann haben wir nur noch eine Woche Unterricht und dann nie wieder. Momentan kann ich das noch nicht begreifen. Seit 13 Jahren gehe ich zur Schule und jetzt ist es tatsächlich vorbei. Irgendwie liegt das außerhalb meiner Vorstellungskraft.

So langsam stellt sich doch die Frage: Was ist nach dem Abi?

Ticker: Noch 27 Tage bis Zeugnisübergabe und Abiball.
Noch zu erledigen: Endgültig auf ein Thema in Bio festlegen, BIO LERNEN!!!

Miriam G.

Wenn Miriam nicht gerade durch Russland reist, dann schreibt sie darüber. Ansonsten erzählt sie noch gerne von der großen Liebe oder schreibt Hassreden gegen Schokonikoläuse. Miriam ist freie Journalistin für verschiedene Online Medien, darunter generationanders.com und to4ka-treff. Seit 2013 ist sie Mentee im Mentorenprogramm der Jugenpresse und Jungejournalisten.de

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