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E-Gitarre, Vamp-Frisur und Konfetti

E-Gitarre, Vamp-Frisur und Konfetti – Dinge, die man nicht unbedingt mit Friedrich Schiller assoziiert, dem großen Klassiker und Weimaraner, dem Weggefährten Goethes. Dass Christoph Mehlers Version von „Kabale und Liebe” im ersten Moment eine eher schockende Wirkung hat, ist da nicht weiter verwunderlich.[divide]

Schillers Drama zählt zu den bedeutendsten deutschen Bühnenstücken und wurde 1784 in Frankfurt am Main uraufgeführt. Es thematisiert, in Anlehnung an Lessings „Emilia Galotti”, die Zwänge der Ständegesellschaft und die daraus resultierenden Konflikte zwischen Adel und Bürgertum.Im Zentrum steht Luise Miller, Tochter eines verarmten Musikus. Sie liebt Ferdinand von Walther, den privilegierten Sohn des Präsidenten, der von seinem machtbesessenen Vater zu einer zweckmäßigen Heirat mit Lady Milford gedrängt wird. Intrigen, hier Kabalen genannt, sind da vorprogrammiert.

Dass Tragisches verhandelt wird und gleichzeitig unausweichlich ist, symbolisiert das kahle Bühnenbild. Eine grauschwarze, deckenhohe Kiste dient als alleiniger Schauplatz des Geschehens und verkörpert den gesellschaftlichen Kerker, in dem alle Figuren gefangen sind. Kein Entrinnen gibt es aus diesem fensterlosen Gefängnis ohne Türen, ohne Requisiten.

Kontrastiert wird diese Enge und Leere durch die Überzeichnung der Figuren. Der Hoffmarschall erinnert mit seiner kalkweißen Visage, der überdrehten Perücke und den grellbunten Kostümen stark an eine Marionette. Lady Milford ist als verführerischer Vamp inszeniert und bis zur Fratze karikiert, während Hofmusikus Miller mit fettigem Haar und löchrig-dreckiger Kleidung den unteren Stand verkörpert. Einzig Ferdinand und Luise spielen ohne überzogene Gesten, ohne schrille Kostümierung.

Die beiden jugendlichen Protagonisten des Stücks kämpfen entgegen aller höfisch-bürgerlichen Konventionen um ihre starke Liebe zueinander und gewinnen so durchaus an Reife. Den Wandel seiner Figur vom stürmischen Romeo mit Luftballons zum entschlossenen Rebell zeigt Schauspieler Felix Axel Preißler (Ferdinand) äußerst facettenreich. Auch Henriette Schmidt verkörpert Luise mit einem gelungenen Spiel aus Mädchenhaftigkeit und Opferbereitschaft.

Die Aufführung ist derart intensiv, dass sich das Publikum kaum vom Geschehen distanzieren kann. Man hasst mit den Figuren, man leidet mit ihnen und wünscht den beiden Liebenden am Ende sehnlichst den Tod, der sich durch das Gift quälend langsam in ihren Körpern ausbreitet. Nach langem Kampf sterben beide schließlich den Liebestod, unter einem Regen von Konfetti, vor einer Leinwand aus Feuerwerk und Lichterspiel. Effektvoller und schriller hätte Regisseur Christoph Mehler hier kaum vorgehen können.

Am Ende gab es stürmischen Applaus für eine entschlackte aber eindrucksvolle Inszenierung, die mit Sicherheit zu den Höhepunkten der Saison zählen dürfte.

(Text: Julia Hanel)

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