KulturMusik & Theater

Discobeats und ernste Botschaften

Ein bisschen mehr Glitzer, Glamour und Disco: Das gelingt der Hamburgerin mit ihrem neuen Alter ego „Puder” und dem gleichnamigen Album, das seit dem 20. Januar auf dem Markt ist. Die gebürtige Ägypterin spricht mit back view über die Ernsthaftigkeit von Pop und gibt zu: „Ich bin mittlerweile ein halber Fischkopf”.


back view: Catharina, du blickst auf eine lange Karriere im Musikgeschäft zurück. Wie hat alles begonnen?
Catharina Boutari: Mit 14 Jahre habe ich angefangen, in einer Schülerband zu spielen. Damals wollte ich eigentlich nie Sängerin werden, ich habe Gitarre gespielt, aber Singen stand überhaupt nicht auf dem Plan. Doch dann musste ich einmal singen und merkte: Das ist alles, was ich will. Seitdem war ich immer Mitglied in richtig demokratischen Bands.

Mit dieser Art von Bands bin ich auch von Köln nach Hamburg gekommen, bis es sich irgendwann umgedreht hat. Ich wollte weiter, die anderen studieren. So entstand 1996 das Trio „Uh Baby Uh”. Plattenverleger und andere machten mich später darauf aufmerksam, dass ich auch unter meinem eigenen Namen singen könnte und 2004 kam mein erstes eigenes Album raus.

Wie war dein Stil damals?
Härter. Deutlich. Also eher Rock und manchmal auch Hardrock. Wir sahen ziemlich wild aus. Ich war die kleinste in der Band mit den wenigsten Muskeln und den kürzesten Haaren.

puder_32007 kam der Bruch mit der Geburt deines Kindes. War dies die notwendige Pause, um wieder neue Energie zu schöpfen und die Sehnsucht für die Musik wiederzubeleben? Hast du dir also selbst das „Puder der Sehnsucht” wie es im Titelsong heißt, wieder aufgestäubt?
Zunächst musste 2008 noch mein altes Album „Tanzschule Boutari” herauskommen, dessen Veröffentlichung eigentlich für 2007 geplant war. Danach wollte ich einfach alles anders machen. Ich hab einen Song geschrieben, hatte die Textzeile „Gib mir das Puder meiner Sehnsucht” im Kopf und damit fing alles an.

Du hast die Songs zuerst vor Publikum gespielt und anschließend aufgenommen. Formt die Reaktion der Zuschauer den Song noch einmal, bevor er tatsächlich aufgenommen wird?
In erster Linie schrieb ich immer das nieder, was aus mir herauskam. Ich analysierte nicht vorher, was die Leute mögen. Deshalb war es auch wichtig, auf den Konzerten ein Feedback zu bekommen. Manchmal war ich mir selbst unsicher, ob ein Teil gut war, ob der Text passte, ob die Leute überhaupt dazu tanzten. Die Aufnahmen erleichterte das im Nachhinein ungemein. Es gab keine Diskussionen. Man wusste, welcher Teil ankam, was für die Zuschauer funktionierte. Großartig wurde nichts verändert, aber der ein oder andere Refrain wurde zum Beispiel wiederholt. An dieser Stelle hat man den Song wirklich mit dem Publikum weiterentwickelt.

Geben die Souleinflüsse in den Backgroundgesängen den Songs auch etwas Emotionaleres?
Ja, denn was ich mag ist die Intensität, mit der diese Leute Sachen ausdrücken. Die Seele im Soul. Als ich ein Video von Ray Charles sah, in dem einige Mädchen um ein Mikrofon standen, war ich spontan begeistert. So hat es sich ergeben, dass drei junge Sängerinnen, die ich kenne, auf zwei Gigs mitgewirkt haben. Passenderweise nennen sich die drei „The Perlets” und wir merkten: „Puder and the Perlets”, das klingt wunderbar.

Die Instrumentation ließ sich vom souligen Ray Charles inspirieren. Woher nahmst du die Inspiration für deine Texte?
Manche schrieben sich ganz leicht und schnell, doch für andere habe ich wirklich gekämpft. Da hatte ich eine Idee, aber fand die Wörter nicht, um etwas auszudrücken …

Insbesondere in „Meinen Kindern die Welt”, das sich mit Völkermord auseinandersetzt, muss es schwer gefallen sein, Wörter zu finden, um diesen Sachverhalt auszudrücken …
Genau, hierfür habe ich wirklich gekämpft. Ich habe selten so ein ernstes Thema gemacht und wusste nicht, ob ich etwas, das so wortlos ist, überhaupt in Wörter umsetzen kann. Aber mich hat es einfach nicht losgelassen.

puder_1Sollte Pop also auch einmal ernst sein?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, es kann tanzbar sein und gleichzeitig eine ernste Botschaft vermitteln, ohne dass ich nur mit der Gitarre und strengem Blick da stehe. Aber da musst du mir sagen, ob es gelungen ist (lacht).

Definitiv, denn an dieser Stelle merkte man, dass sich ein Künstler mit dem auseinander gesetzt hat, was um ihn herum passiert …
Ich finde diese Vorstellung auch ganz schlimm. Wie Menschen, die miteinander leben, auf einmal Feinde werden können und jegliches Mitgefühl verlieren. Daniel Goldhagen hat in seinem Buch „Schlimmer als Krieg” aufgezeigt, dass Völkermord meist über Jahre hinweg in den Köpfen der Menschen vorbereitet wird. Das mag umstritten sein, hat mich jedoch sehr schockiert und berührt.

In „Heyoh” fragst du dich: „Was ist Glück, wenn nicht dieses Gefühl? Was ist Glück, wenn nicht das hier?” Hast du schon eine Antwort darauf gefunden?
Es sind die kleinen Momente. Ich glaube Glück ist kein Zustand, der lange anhalten muss, das ist nicht mein Anspruch. Aber wenn du nicht traurig sein kannst, weißt du nie zu schätzen, was glücklich sein heißt. Viele streben danach, etwas ganz Großes zu erreichen, damit alles perfekt ist. Ich denke, es liegt ganz oft dazwischen.

Nach dem Motto „Der Weg ist das Ziel” …
Genau. Es gibt so viele Menschen, bei denen das Glas immer halb leer anstatt halb voll ist. Das Lied ist ein Appell an diese Leute. Ich bin ein sehr optimistischer Mensch und freue mich gerne an Momenten wie diesem, in dem die Sonne scheint. Ob es nun regnen wird, daran denke ich morgen.

puder_2In „Sturm” singst du: „Ich schlafe jetzt im Freien und zähl‘ die Lichter vom Hafen”. Ist eine Stadt wie Hamburg eine Inspiration für Singer/Songwriter?
Früher habe ich immer behauptet, ich sei in Hamburg im Exil, weil ich aus Köln komme. Aber nun lebe ich fünfzehn Jahre hier, habe Freunde gefunden und die Stadt lieben gelernt, da kamen die Zeilen einfach. Der Hafen ist wirklich toll, weshalb sich in „Sturm” auch diese Zeilen wiederfinden lassen. Jetzt kann ich nicht mehr sagen, dies wäre mein Exil, ich bin mittlerweile ein halber Fischkopf (lacht).

Worüber schüttelst du deinen Kopf, wenn nicht gerade zum Tanzen im Song „Click Clack”?
Momentan schüttele ich meinen Kopf angesichts der Gentrifizierung des Schanzenviertels. Vielleicht bin ich auch Teil dessen, aber man merkt, wie dieser Stadtteil boomt. Mit Wilhelmsburg verhält es sich da ähnlich, die Leute ziehen nun dorthin, weil es „in” ist und der Charakter der Stadtteile geht leider verloren.

Dein Vater ist Ägypter, wie hast du den arabischen Frühling empfunden?
Durch Zufall war er bei mir in Deutschland, als es in seiner Heimat los ging mit den Protesten. Zu der Zeit lief bei uns auf dem einen Fernseher Al Baghadia und auf dem anderen die Tagesschau, da wir Verwandte in Kairo haben und dementsprechend besorgt waren. Da ist zum einen Angst, zum anderen Freude über die Entwicklungen in meinem Land.

Catharina Boutari, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ronja Heintzsch.

(Fotos: Inga Seevers für ADD On Music Promotion)

Ronja H.

Konstruktive Kritik in bitterscharfen Kommentaren üben, die Welt bereisen, auf aktuelle Problematiken hinweisen - all dies sind Gründe, aus denen Ronja beschloss, sich dem Metier Journalismus zu verpflichten. Schließlich gibt es noch einige unaufgedeckte Watergate-Affären in dieser Welt.

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