Medien

Die vermittelte Realität eines Brennpunkts

Wochenlang beherrschte Nordkorea die mediale Berichterstattung, auch nun gibt es noch beinahe täglich neue Meldungen. Die Geschehnisse in Nordkorea und Kim Jong Un werden von der ganzen Welt fokussiert, so scheint es. Doch was geschieht wirklich und was davon wird uns durch die Medien vermittelt? Was können wie tatsächlich wissen?

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Immer wieder werden erschreckende Meldungen aus Nordkorea bekannt. Kim Jong Un drohe mit einem Atomkrieg und Nordkorea stationiere Patriot-Raketen in Japan, heißt es. Zuletzt am Pfingstsonntag solle Nordkorea wieder Raketen in Richtung Japanisches Meer abgefeuert haben. Mittlerweile wurden alle Ausländer darauf hingewiesen, Südkorea zu verlassen. Selbst, wenn es einige Tage ruhig war um den nordkoreanischen Machthaber – der Schein kann trügen. Erfahren wir durch die Medien wirklich alles?

Wir kennen ihn alle – woher eigentlich?
Noch vor wenigen Wochen sah es so aus: Kim Jong Un steht ganz oben auf dem Online-Angebot jedes Nachrichtenmagazins und ziert das Cover jeder politisch ausgerichteten Zeitschrift. Das Portraitbild des Diktators scheint allzeit bereit auf jedem Redaktionsdesktop für einen möglichen Upload gespeichert zu sein.

Das etwas füllige Gesicht von Kim Jong Un kennen wir aber nicht mehr nur durch Fotomontagen auf Titelbildern von Tageszeitungen, sondern auch von geteilten Karikaturen auf Timelines unserer Social Media-Freunde. Mittlerweile ist es nicht mehr so akut, aber geändert hat sich im Prinzip nichts an der misslichen Situation.

Manche scheinen schon genervt zu sein und machen sich über den Machthaber lächerlich. US-Komiker Jon Stewart gelang zuletzt eine gelungene Satire: In seiner „Daily Show“ sprach er von Kim wie von einem lästigen Verehrer. Militärmanöver? Raketentests? Atomversuche? Mit wilden Manövern, Atomversuchen und Raketentests ließen sich die Amerikaner eben nicht aus der Reserve locken: „Die USA fühlten sich zwar geschmeichelt“, grinste Stewart. „Aber wir sind nicht interessiert.“

Raus mit den News – egal wie
Jeder weiß, wer Kim Jong Un ist – nicht nur Journalisten. Die sind dafür verantwortlich, Neuigkeiten aus der Welt für den Rezipienten zu filtern und im angemessenen Rahmen zu präsentieren. Stündlich preschen neue Agenturmeldungen auf den Computerbildschirm aufmerksamer Redakteure. Die hereinplatzenden Informationen werden so schnell wie möglich bereitgestellt – in der nächsten Stunde könnte alles ja schon wieder anders aussehen.

Aber da in unserem schnellen Informationszeitalter keine Zeit zum Nachdenken bleibt, wird eben das getan, was Online-Journalisten von früh auf lernen: Copy-Paste, schnell raus mit den News, bevor es die Konkurrenz verbreitet. Es werden pauschale Schlagzeilen formuliert, Bildergalerien durchgeklickt und ein kurzer Vorspann niedergeschrieben. Der Rest ist bekannt: Nämlich genau aus allen anderen Online-Nachrichtenseiten, die sonst noch so in der Internetwelt auf einen Userklick warten. Gefiltert wird also zuhauf: schon bei den Agenturen.

Journalisten bleiben für uns meist einzige Quelle
Und, weil dann alles so schnell gehen muss, kann es auch mal vorkommen, dass Falschmeldungen verbreitet werden, bevor ihre Wahrhaftigkeit überhaupt überprüft wird. „Nordkorea hat eine Rakete gestartet“, lautet erst letzte Woche eine Twitter-Meldung, die die Welt kurz ins Stocken versetzte. Das Gezwitschere stellte sich als versehentlich gesendete Botschaft der japanischen Stadt Yokohama heraus. Peinlich dabei: Die Meldung war für den Ernstfall vorbereitet. Nach dem Hinweis eines Followers, dem der Fehler aufgefallen war, bemerkte die Stadtverwaltung erst, dass wohl irgendwer versehentlich auf die Enter-Taste der Tastatur gekommen war.

Neben kopierten Nachrichtenmeldungen, für die eine ordentliche Recherche erst nachträglich oder gar keine Zeit ist, bleibt die Frage: Wie viel wissen wir eigentlich? Wir müssen glauben, was die Zeitungen uns sagen. Wir vertrauen den Journalisten, die als Gatekeeper und Vermittler dienen sollen und manchmal selbst keine weitere Auskunft haben und immer nur einen Aspekt des Konflikts beleuchten können. Wir vertrauen Menschen, die in ihrem warmen Büro sitzen und, für die Korea sehr weit weg ist. Nur sehr eenige scheinen zu wissen, was vor Ort gerade passiert und welche Drohungen wirklich beunruhigend sind. Wir bekommen etwas aber erst mit, wenn es schon passiert ist.

Vertrauen auf die Aussagen anderer
Meistens stehen den Medien selbst nur andere Medien zur Verfügung. Der Geheimdienst, der auch nur vermutet, der spekuliert und manch geheime Informationen noch nicht verbreiten kann, spricht natürlich nicht mit allen. Da müssen unsere Journalisten US-Zeitungen zitieren, übersetzen und hoffen, dass die Meldung wahrheitsgemäß ist. Was wir also wissen, bleibt ein Mix aus Vermutungen, dünnen Informationsströmen und rückläufigen Relativierungen. Die Welt rätselt.

Und ja, auch die Medienleute benutzen Google. Kim Jong Un scheint telefonisch gerade schwer erreichbar zu sein. So jedenfalls ist es verständlich, dass kaum jemand recherchieren kann, was in diesem Brennpunkt auf uns zukommen wird. Auch im 21. Jahrhundert müssen wir wohl auf die Aussagen derjenigen vertrauen, die in irgendeinem Maß davon betroffen sind. So bleibt uns nur, auf die neuen Paparazzifotos zu warten.

(Text: Christina Hubmann)

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Christina H.

Christina wollte eigentlich mal Busfahrer werden, ehe sie sich entschloss, doch "irgendwas mit Medien" zu machen. Schreiben tut sie nämlich schon immer gern. Und wie das Leben ohne dieses Internet funktioniert hat, fragt sie sich schon seit Längerem - erfolglos.

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