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Die “neue” NATO

Das militärische Bündnis der NATO besteht schon seit nun mehr 60 Jahren. Eine lange Zeit. Dementsprechend hat sich auch vieles verändert. Angefangen als reines Verteidigungsbündnis ging die NATO mit dem Wandel der Zeit und ist heute mehr als nur eine Vereinigung zum Schutze der eigenen Mitgliedsstaaten. Doch was genau hat sich verändert und welche Strategien entwickelte die NATO?
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Über die “alte” NATO
Zunächst einmal sei gesagt, dass die NATO (North Atlantic Treaty Organization – deutsch: Nordatlantische Vertragsorganisation) ursprünglich am 4. April 1949 schlichtweg als ein Gegenbündnis zum Warschauer Pakt gegründet wurde. Die Vereinigung der Ostblockstaaten und der Führung der Sowjetunion stand während des Kalten Krieges in direkter Konfrontation zur NATO, wurde allerdings 1991 aufgelöst. Somit beschränkten sich die Aufgaben des europäisch-nordamerikanischen Bündnisses hauptsächlich auf die Verteidigung und Sicherheit der eigenen Mitgliedsstaaten, was durch die sogenannte „Beistandsklausel” gewährleistet wurde.

Diese verpflichtet die Mitglieder auch heute noch bei externen Angriffen zu gegenseitigem Beistand und Hilfestellung. Somit bestand die alte Strategie der NATO in der Bereitschaft zu Kampfeinsätzen zur Verteidigung der eigenen Grenzen. Diese theoretische Bereitschaft  musste jedoch nie in die Realität umgesetzt werden. Ab 1989 kam es mit dem Ende des Kalten Krieges jedoch zu neuen Herausforderungen und damit verbunden auch zu neuen Strategien des Bündnisses.

Die Zeit nach dem Kalten Krieg
Nach 1989 stand vor allem der Dialog mit weiteren Staaten im Mittelpunkt. Denn neue Probleme, wie Klimawandel oder Ressourcenschutz, konnten am effektivsten in einer möglichst großen Gemeinschaft gelöst werden. Somit kam es ab 1999 zur „Osterweiterung”- der Aufnahme einiger ehemaliger Warschauer-Pakt-Staaten wie zum Beispiel von Polen und Ungarn.

Weiterhin stellte die NATO fest, dass ein reines Verteidigungsbündnis mit großen Streitkräften nicht ausreicht, um dem Völkerrecht, an welches sie gebunden ist, gerecht zu werden. Dieses Völkerrecht beinhaltet unter anderem als Grundsatz den Schutz der Menschenrechte und die Verantwortung der Internationalen Staatengemeinschaft. Also soll die NATO nicht nur bei militärischen Angriffen verteidigen, sondern auch bei Verletzungen der Menschenrechte in einem Land eingreifen.
Nato
Von neuen Strategien…

Dementsprechend beinhaltet die „neue Strategie” der NATO  hauptsächlich friedenserzwingende bzw. friedensschaffende Maßnahmen, zum Beispiel zur Verhinderung von humanitären Katastrophen. Diese meist präventiven Einsätze werden auch oft als „Blauhelm-Einsätze” bezeichnet. So lassen sie sich zum Beispiel in Afghanistan finden, wo der Einsatz der NATO größtenteils dem Wiederaufbau dienen soll.
Normalerweise agiert die NATO außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs nur im Rahmen eines UN-Mandats, also mit einem „Auftrag” oder einer „Genehmigung” des UN-Sicherheitsrates. Was aber tun, wenn die Lage wie im Kosovo einen militärischen Einsatz zum Schutze der Menschenrechte und somit im Namen des Völkerrechts erfordert, dieser aber vom Sicherheitsrat durch die sogenannten Veto-Mächte nicht abgesegnet wird? Dazu entwickelte die NATO gleich drei neue Strategien: „Out of UNO”, „Out of area” und „out of defence”. Diese Begriffe halten genau das, was sie versprechen.

… und einer selbstbewussten NATO
Unter „Out of UNO” versteht man einen Einsatz der NATO ohne UN-Mandat. Bis zum Eingriff in den Kosovo war dies unvorstellbar. Doch hier bewies die NATO ein gewisses Selbstbewusstsein und tat trotz großer internationaler Kritik und fehlender Legitimation das, was sie für richtig hielt.
Am Beispiel des Kosovos lassen sich ebenso die Prinzipien „out of area” und „out of defence” erkennen. Normalerweise handelte die NATO nur dann, wenn es um die Verteidigung einer ihrer Mitgliedsstaaten geht. So wäre dieser Bündnisfall zum Beispiel nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf den Mitgliedsstaat USA eingetreten. Im Kosovo, der kein Bündnispartner ist, trat dieser Fall jedoch nicht in Kraft. Der Einsatz war außerdem außerhalb des NATO-Gebietes, also „Out of area”.

All diese Neuerungen sah die NATO als gerechtfertigte Maßnahmen gegen die Menschenrechtsverletzungen im Kosovo an. Andere Staaten bezeichneten jedoch gerade dieses Eingreifen als Verstoß gegen das Völkerrecht, das eben auch ein Interventionsverbot, also eine Nichteinmischung in innerstaatliche Konflikte als Anerkennung der Souveränität des jeweiligen Landes, vorschreibt.

Auch wenn dieser Eingriff sehr umstritten sein mag, eines steht fest: Die NATO zeigt immer wieder, dass sie wandlungsfähig ist und sich anpassen kann. Diese Fähigkeit wird in Zeiten eines stetigen Wandels in der internationalen Sicherheitspolitik immer wichtiger und somit ist die NATO auch nach 60 Jahren noch kein veraltetes Bündnis – sondern ein, zwar verbesserungsfähiges, aber etabliertes System mit Zukunft.

(Text: Julia Jung / Foto: NATO)

Julia J.

Hauptberuflich ist Julia Weltenbummlerin, nebenberuflich studiert sie Politik. Wenn sie nicht gerade durch Australien, Neuseeland, Südafrika oder Hongkong reist, schreibt sie ein paar Zeilen für back view und das schon seit 2009.

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