KulturMusik & Theater

Die Lösung aller Euro-Probleme

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„SEΛ + ΛIR”, das sind Sie und Er. Die Griechin Eleni, die ihren Bass mit den Füßen spielt, und der Ex-Punker Daniel mit dem gezwirbelten Schnurrbart. Für back view spielten die beiden Musiker eine Acoustic Session im Molotov Hamburg und erzählen, ob sie sich gegenseitig Geld leihen würden.

 


Die Affinität zu Wortspielen kann man SEΛ + ΛIR wahrhaftig nicht streitig machen. Nicht umsonst brachten sie ganz versteckt den Namen ihres tonangebenden Instrumentes im Titel ihres Albums unter: My Harpsichord, mein Cembalo.

Irgendwo zwischen rau und rührend, spielerisch und spannend pendelt sich der Klang von SEΛ + ΛIR ein und schafft den Spagat zwischen griechischer Rhythmik und Tonfärbung und modernen Melodien. Dabei verschwimmen Gitarre, Glocken, Cembalo, Bass und Drums zu einem Gesamtkonstrukt, das so schön atmosphärisch wirkt, dass man beinahe das Gefühl hat, das Rauschen der Olivenbäume in Elenis Heimat zu hören.

„Take Me For A Ride” eröffnet das Album, indem sich das markante Lieblingsinstrument Johann Sebastian Bachs sanft an die Stimme von Daniel schmiegt, und geht schließlich im Refrain auf, wenn SEΛ + ΛIR in perfekter Harmonie singen.

Ihre erste Single „Do Animals Cry?” boten Daniel und Eleni am World Animals Day in Kooperation mit der Organisation PETA zum freien Download an. Worauf der Song abzielt, das beantworten die beiden Musiker im Interview.

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back view: Seit wann macht ihr zusammen Musik?

Daniel: SEΛ + ΛIR gibt es seit Januar 2011. Allerdings machen wir zusammen schon seit über zwölf Jahren Musik. Wir haben verschiedene Bands gehabt und letztendlich ist alles ein wenig in SEΛ + ΛIR eingeflossen.

Wie hat eure Musikkarriere angefangen?
Daniel: Nachdem wir uns kennen gelernt hatten, ging alles ziemlich schnell. Eleni und ich waren die Outsider im Dorf und haben uns dann sozusagen verbündet. Zuerst spielten wir gemeinsam in einer Punkband namens „Jumbo Jet” mit zwei Freunden.

Wie schafft man es dann schließlich ins Vorprogramm von Whitney Houston?

Daniel: Wir hatten eine Punkband und nebenbei ein Soloprojekt von mir, an dem Eleni jedoch auch mitgewirkt hat. Irgendwann haben wir gemerkt, dass dies mehr Leuten gefällt, als wir dachten und es gab Anfragen, ob wir mit Whitney Houston spielen wollten. Da dachten wir natürlich „Cool, das probieren wir aus”. Es war auch irgendwo ausschlaggebend dafür, dass wir SEΛ + ΛIR gegründet haben.

Wie entsteht bei euch ein Song?
Daniel: Es fängt damit an, dass einer von uns eine Idee auf einem Instrument hat. Dann kommen die Stimmen dazu, eine Trommel, der Bass und so baut sich schließlich alles auf. Das Songwriting machen wir zusammen. Einer bringt die Idee und wir entwickeln sie dann weiter. Am Anfang steht jedoch immer das Musikalische, das uns viel wichtiger als der Text ist.

Passiert es auch mal, dass Eleni zu dir mit griechischen Rhythmen und Melodien kommt, die du als Deutscher so gar nicht kennst?

Eleni: Dadurch, dass wir uns schon über ein Jahrzehnt lang kennen, hat Daniel schon viel mitbekommen von der griechischen Kultur und Musik. Deswegen gab es eigentlich nie einen Kultur-Clash. Er hat sich auch viel auseinandergesetzt mit griechischen Komponisten.

Daniel: Ich bin immer sehr offen, mich interessiert sowas total. Wenn wir in anderen Ländern touren, bitte ich oft Freunde, die wir dort kennen lernen, mir deren Musik zu schicken.

Eleni, was hören die Griechen so, wäre das SEΛ + ΛIR?

Eleni: Ich glaube schon. Wir benutzen viele griechischen Rhythmen, die sie wiedererkennen würden und die in der griechischen Musik ebenfalls vorkommen. Ich bin in der griechischen Community groß geworden, da gehört es zum Beispiel dazu, dass man im griechischen Tanzverein ist. Man nimmt Musik viel mehr mit dem Körper wahr, alles ist sehr rhythmusbetont. Ich glaube, die Deutschen gehen da mit dem Kopf ran. Deshalb ergänzen Daniel und ich uns wahrscheinlich so gut.

Daniel, du kannst keine Noten lesen heißt es. Wie funktioniert dann das Songwriting, hilft Eleni dir dabei?

Eleni (lacht): Ich kann auch keine Noten lesen.

Also das typische Punker-Klischee. Habt ihr alles im Kopf?

Daniel: Ja, tatsächlich. Wir sagen immer, dass eine Idee so gut sein muss, dass man sie sich merken kann. Es kommt natürlich auch mal vor, dass man eine geile Idee hat, dann aber eine Woche keine Zeit findet, sie zu festigen. Die Idee ist dann weg, das ist das Risiko. Aber eigentlich ist es ein gutes Barometer, um zu sehen, ob eine Idee wirklich gut ist.

 

Am „World Animals Day” habt ihr in Kooperation mit Peta eure erste Single „Do Animals Cry?” zum freien Download angeboten. Was steckt hinter diesem Song?

Daniel: „Do Animals Cry?” ist ein Dialog, wir wollen kein Statement ablassen. Ich esse auch ab und an Fleisch. Es geht vor allem darum, dass man sich Gedanken macht, egal aus welcher Ecke man kommt. Das ist ganz wichtig.

Eleni: Es ist ein Denkanstoß, ein Song, der die Leute animieren soll, sich zu hinterfragen. Aber wir stehen nicht mit erhobenem Zeigefinger da. Ich vertrete als Vegetarierin natürlich meinen Standpunkt, aber den zwinge ich keinem auf.

Daniel: Gute Songtexte sind genau dann gut, wenn sie Fragen hinterlassen.
Eleni: Sonst wäre es zu plakativ.

Eleni, was kann ein Deutscher wie Daniel noch von euch Griechen lernen?


Eleni: Daniel ist gar nicht so deutsch wie man vermutet. Manchmal habe ich sogar deutschere Eigenschaften als er. Ich lege zum Beispiel sehr viel Wert auf Pünktlichkeit, Daniel ist da eher lockerer und hat die Gelassenheit der Griechen.
Daniel: Gut, dass ich jemanden gefunden hab, der die griechischen Eigenschaften nicht so vereint. Wir sind ohnehin schon chaotisch, aber anderenfalls wären wir noch chaotischer.
Ihr seid das beste Beispiel dafür, dass die deutsch-griechische Beziehung funktionieren kann. Hättet ihr einen Tipp an die Regierungschefs von Deutschland und Griechenland?
Daniel: Sie sollten uns promoten so gut es geht, weil man mit Musik viel mehr erreichen kann als mit hohlem politischen Geschwätz. Wir sind eigentlich die Lösung. Eleni müsste Griechenland regieren und ich Deutschland, dann würde es funktionieren.
Würdest du Eleni denn Geld geben?
Daniel: Klar. Das Geld, was sie braucht, kann sie kriegen, schließlich geht sie damit gut um. Jeder normale Grieche könnte das genauso, es sind halt zwanzig, die das ruinieren.
Mittlerweile habt ihr schon fast alle europäischen Länder auf eurer Tournee abgehakt, fehlt noch irgendein Land in eurer Sammlung?
Eleni: Luxemburg.
Daniel: Was jetzt noch kommt, ist der Südwesten: Frankreich, Portugal und Spanien. Danach noch Großbritannien. Worauf ich mich sehr freue sind die baltischen Länder und Finnland. Da geht einiges an Kultur.
Wie sieht es in der Zukunft aus?
Eleni: Bis Oktober 2013 sind wir noch auf Tournee und dann haben wir mit 500 Konzerten auch echt durchgepowert. Danach machen wir erstmal Winterschlaf und tun Dinge, die normale Leute im Winter tun: Tee trinken, sich einmummeln, schöne Filme anschauen, häuslich werden (lacht).
Daniel: Natürlich auch Musik machen, aber mehr daheim.
Eleni: Und danach auf jeden Fall ein neues Album aufnehmen. Wir haben jetzt schon angefangen, neue Lieder zu schreiben.
Daniel: Wir werden auch die nächste Stufe erklimmen, was das alles anbelangt. Dann werden wir nicht mehr so viel live spielen, sondern eher ausgewähltere Konzerte spielen.
Eleni: Oder wir machen es so, dass die Leute zur Abwechslung mal touren und einfach zu uns nach Hause kommen.
Das Interview führte Ronja Heintzsch
(Fotos: Ronja Heintzsch)

Ronja H.

Konstruktive Kritik in bitterscharfen Kommentaren üben, die Welt bereisen, auf aktuelle Problematiken hinweisen - all dies sind Gründe, aus denen Ronja beschloss, sich dem Metier Journalismus zu verpflichten. Schließlich gibt es noch einige unaufgedeckte Watergate-Affären in dieser Welt.

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