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Der Blick ins fremde Wohnzimmer

Ob „Frauentausch”, „Big Brother” oder „Sarah und Marc in love” – Realityshows sind schon lange in unseren Fernsehalltag integriert und vom Vorabendprogramm nicht mehr wegzudenken. Es ist allerdings vollkommen unverständlich, warum sie mit einem so negativen Image behaftet sind.

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Erst durch die „Super Nanny” erhielten wir einen Einblick in die professionelle Kindererziehung: so wie sie sein sollte. Katja Saalfrank ermöglichte es uns, die Bedeutung der ‘stillen Treppe‘ kennen und als Erziehungsmethode lieben zu lernen. Sarah und Marc zeigten uns, als sie noch ‘in love‘ waren, wie die Vorbereitungen einer richtigen Traumhochzeit funktionieren. Die Mädels vom „Frauentausch” präsentieren uns, dass manche Leben unterschiedlicher nicht sein können.
Nur dank „Big Brother” lernten wir, dass es dem Menschen scheinbar irgendwann egal ist, ob er durch Fernsehkameras 24 Stunden am Tag beobachtet wird und fast 164 Millionen Augen ihm eigentlich gerade beim Duschen zusehen könnten. Und da wären natürlich noch die Casting-Shows wie „Deutschland sucht den Superstar”, die aus Tellerwäschern schon diverse Popstars, Topmodels oder Bundeskanzler formten. Einzigartige Karrieresprungleitern, die aus gewöhnlichen Menschen Stars machen.

Alles, was all die Realityshows tagtäglich zeigen, könnte auch uns  – so in etwa – passieren. Hätten wir nur den richtigen Wedding-Planner, könnten auch wir die Traumhochzeit am Strand genießen und hätten wir so einen verzogenen Fratzen daheim wie Familie Dabrowski, wüssten wir, wie wir mit ihm umzugehen hätten. Realityshows geben uns einen kleinen Einblick in fremde Leben – einen Einblick, der für jeden von uns hilfreich für den eigenen Alltag und für die eigenen Probleme sein kann. Wir können uns mit den echten Menschen dort identifizieren, unseren Verhaltensstil vergleichen, uns an ihren intimen Geheimnissen ergötzen oder sie um ihre Talente beneiden. Jeder von uns kann von ihnen lernen.

Reality Shows zeigen uns, wie Menschen mit normabweichendem Verhalten wieder in die Gesellschaft integriert werden, wenn „Teenagern außer Kontrolle” eine Drogenberatung empfohlen wird. Sie verdeutlichen, wie Möchtegern-Stars oder Noch-Nicht-Stars in einer begrenzten Zeit mit Extremsituationen umgehen und bei „Ich bin ein Star – holt mich hier raus” für einen Happen ordentliches Essen sogar vor einem Kakerlaken-Bad nicht zurückschrecken.
Sie geben uns ein gutes Gewissen, wenn übergewichtige Jugendliche in „Jedes Kilo zählt” viel zu viel auf den Rippen haben und wir sie während diesem – für sie wichtigen – Lebensabschnitt begleiten. Oder aber sie zeigen uns das Ungewöhnliche im Alltag, wenn „Die Ludolfs – vier Brüder auf’m Schrottplatz” nach ihrem ganz eigenen Prinzip erfolgreich eine Autoverwertung betreiben.

Was diese ganzen Realityshows gemeinsam haben? Wir lieben sie. Weil wir sehen, wie die Welt sein kann oder zu seien scheint. Weil wir auf der Couch liegen, uns berieseln lassen und gleichzeitig etwas fürs Leben lernen. Weil wir nicht selber denken müssen und uns endlich ein Blick ins fremde Wohnzimmer ermöglicht wird.

Hinweis aus der Redaktion: Dieser Artikel ist Teil des Titelthema: “GEZ & CO. – WIR LIEBEN, WAS IHR HASST” – der Inhalt spiegelt also nicht zwangsläufig die Meinung der Autorin wieder.

(Text: Christina Hubmann)

Christina H.

Christina wollte eigentlich mal Busfahrer werden, ehe sie sich entschloss, doch "irgendwas mit Medien" zu machen. Schreiben tut sie nämlich schon immer gern. Und wie das Leben ohne dieses Internet funktioniert hat, fragt sie sich schon seit Längerem - erfolglos.

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