BrennpunkteGesellschaft

Bezahlbarer Wohnraum im Sog der Stadt

Städte locken weltweit mit Arbeit und besseren Lebensbedingungen, doch viele können die Lebenskosten nicht bewältigen. Am Stadtrand entstehen so Orte der Selbstorganisation und Illegalität. In Landschaften von bizarrer Schönheit wird der Staat oft zu einer armseligen Figur der Unentschlossenheit.

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Slum Saigon
Slum Saigon © Pixaby

Laut Schätzungen von UN-Habitat lebt die Hälfte der Weltbevölkerung seit dem Jahr 2010 in städtischen Gebieten. UN-Habitat ist ein Programm der UNO, um für alle eine bessere Zukunft in Städten zu gewährleisten. Städte sind mit unabsehbaren demografischen Entwicklungen, wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und räumlichen Herausforderungen konfrontiert. Auch das Wirtschaftszentrum Vietnams Saigon trägt Spuren der rasanten Urbanisierung mit sich – im Bild der Stadtrand Saigons.

Favelas in Brasilien
Favelas in Brasilien © Pixaby

In Brasilien leben sechs Prozent der Bevölkerung in illegalen Behausungen ohne funktionierende Infrastruktur, dort Favelas genannt. In Rio de Janeiro sind es nach der letzten Volkszählung zwei Millionen. Seit 2008 versucht die Stadtregierung mit dem Pacifying Police Units program (UPP) die in den Favelas herrschende Drogenmafia zu verdrängen. Damit treffen an Kreuzpunkten Bürgervereine, die Drogenmafia und die Polizei zusammen, ein Mafiaboss erklärt: „Der Deal ist, jeder lässt den Anderen in Frieden. Unsere Waffen haben wir versteckt.“

Kenya Umsiedlung
Kenya Umsiedlung © UN-Habitat / Nathan Kihara

In Nairobi, der Hauptstadt Kenias, lebt mehr als die Hälfte der Menschen in Slums. Einwohner des Kibera Slums werden hier in neu gebaute Wohnanlagen umgesiedelt. Weltweit unterstützt UN-Habitat Entwicklungsprojekte – von der Türkei oder den Malediven bis nach Somalia.

Kolumbien
Kolumbien © UN-Habitat / Julius Mwelu

Vor nicht allzu langer Zeit war die zweitgrößte Stadt Kolumbiens, Medellìn, vor allem für Drogen, Kriminalität und einer hohen Rate an Morden bekannt. 2013 sank die Mordrate aber um 80 Prozent und die Stadt wurde zum globalen Modell für erfolgreiche Transformation. Ursachen dafür waren eine innovative Stadtplanung und Investitionen in öffentliche Verkehrsmittel. Eines davon ist eine 385 Meter lange Rolltreppe, die mitten in der Stadt gratis dazu einlädt, sich bequem in sechs Minuten den Hügel hinauf zu begeben. Im Bild erneuern lokale Künstler das alte Wellblechdach.

Manila
Manila © Pixaby

Die Weltbevölkerung wird zunehmend urban, in vielen Städten leben aber bis zu 80 Prozent in Slums. Im Bild Manila – die Hauptstadt der Philippinen, in diesem Land leben etwa 20 Millionen Menschen in solchen Randgebieten. UN-Habitat kündigt an, dass 2030 drei Milliarden Menschen eine Unterkunft und grundlegende Infrastrukturen wie Wasser und sanitäre Systeme brauchen werden. Leider sind Bestrebungen dafür oft gerade in Entwicklungsländern wegen Regierungen und dem Mangel an menschlichen Ressourcen, Institutionen und Regelungen nur begrenzt vorhanden. Dennoch verzeichnet UN-Habitat in den Jahren von 2000 bis 2010 eine Verbesserung der Lebensumstände von 227 Millionen Menschen in Entwicklungsländern mithilfe von Regierungen.

Madrid Urbanisierung
Madrid © Pixaby

Auch Europa kennt Slums. Am Stadtrand von Madrid zum Beispiel leben Tausende in einer 16 kilometerlangen, illegalen Siedlung. Ungefragtes Stromanzapfen wird von den Energieversorgern toleriert, einmal die Woche schickt die Stadt die Müllabfuhr. Auch in dieser Parallelwelt müssen die Wohnungen gekauft oder gemietet werden. Zu hohe Mieten, Schulden und Zwangsräumungen treiben die Menschen an den Stadtrand. Eine Bewohnerin sagt bei Freunden, sie wohne in einem anderen Viertel, weil die Siedlung so einen schlechten Ruf hat. Die Stadtverwaltung plant, die Bewohner umzusiedeln und aus dem Slum ein richtiges Stadtgebiet mit Straßen zu machen.

Anna L.

Anna Luther schreibt seit Februar 2015 bei backview.eu und interessiert sich für gesellschaftliche, kulturelle und politische Thematiken. Sie studiert in Wien Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und Philosophie.

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