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Aus der Traum

An diesem Montag erscheint FLUTLICHT letztmals unter dem Schlaglicht der EURO. Am gestrigen Sonntag konnte Spanien den x-ten Rekord aufstellen und abermals demonstrieren, dass an den Iberern kein Weg vorbeiführt. Der deutsche Traum hingegen ist ausgeträumt.


„Eine große Leere” war es, die Oliver Bierhoff nach dem Abpfiff empfand. Diesen Gemütszustand hatte er sicherlich nicht exklusiv. Thomas Müller weinte auf der Bank – lediglich das Trikot verbarg sein Gesicht. Ein Gesicht der Trauer, das sinnbildlich für die zerstörte deutsche Hoffnung stand.

Der große Traum war zu Ende, dabei hatte er noch gar nicht so recht begonnen. Im Viertelfinale wartete die Fußballameise aus Griechenland. Unglaublich viel Arbeitskraft, aber wenig Kunst auf Seiten Hellas‘. So war die deutsche Mannschaft kaum gefordert im Duell gegen die Griechen. Dann jedoch die Schreckensnachricht: Italien besiegte England im anderen Viertelfinale und war der deutsche Gegner im Halbfinale.

Noch nie konnte Deutschland bei einer EM oder WM ein Spiel gegen die Squadra Azzura gewinnen. Auch dieses Mal – selbst mit der goldenen Generation, die zweite und dritte Plätze dermaßen hasst – sollte es nichts werden. Vor allem eine gnadenlose Effektivität, eine sichere Abwehr und Mario Balotelli waren die Sieggaranten für Italien.

Der Bad-Boy, wie sie ihn nennen, avancierte zum gefeierten Helden und präsentierte seinen Astralkörper nach dem zweiten Treffer. Inzwischen kursieren zahlreiche Fotomontagen in diversen sozialen Netzwerken, die Balotelli in allen möglichen Lebenslagen zeigen. Einige sind lustig, andere weniger…

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Mit der deutschen Niederlage trat auch der boulevardeske Beissrefelx zutage. Die BILD titelte: „Gomez hat nur die Haare schön! Lahm labert wie ein Politiker! Schweini wird nie Chef!” Und wer von derart viel Seriosität noch nicht genug hatte, der konnte auch einen Blick auf express.de werfen: „Ballertelli fegte über Deutschland hinweg”.

Die aufflammende Trainerdiskussion war stets inhaltsleer und unnötig. War früher alles gut war, kann nach einem Spiel einfach nicht komplett schlecht sein. Was nicht bedeutet, dass die Aufstellung im Halbfinale nicht unkritisch gesehen werden darf. Es geht lediglich um die Frage des Wie. Der Ton macht immer noch die Musik, auch wenn der Boulevard am lautesten tönt, hat er noch lange nicht recht.  Dabei gab es auch lustiges über den Bundes-Jogi zu berichten. Beispielsweise sein unnachahmlicher Axeltest im Spiel gegen Griechenland.

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Nebenbei sorgte die UEFA wiedermal für negative Schlagzeilen. Nicht zum ersten Mal hatte der Europäische Fußballverband in sein zentrales Weltbild Szenen reingeschnitten, die zwar live wirkten, aber lediglich aus der Konserve kamen. ARD und ZDF haben sich abermals beschwert.

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Wer sich jedoch bei ARD oder ZDF über die schlechten Kommentatoren beschwert, der sollte mal einen Blick auf www.marcel-ist-reif.de werfen. Dort können sich Mitglieder kostenlos selbst als Reporter versuchen oder einfach anderen Laien beim Kommentieren lauschen.

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Zurück zu den Spaniern: Noch nie hat ein Team drei große Titel in Folge holen können. Wer wenn nicht diese spanische Übermacht hätte ein derartiges Kunststück vollbringen können? Iniesta wurde zu Recht zum besten Spieler der EURO gewählt, ein Titel als Welt- oder Europafußballer ist eigentlich überfällig. Das iberische tikitaka war während des Turniers zwar kurzzeitig ins Stocken geraten – pünktlich zum Finale war die Ballbesitzmaschine jedoch geölt worden. Italien lief 90 Minuten hinterher.

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Weder die Franzosen noch Engländer konnten der EURO ihren Stempel aufdrücken. Vielmehr trat Laurent Blanc als französischer Nationaltrainer zurück. Damit teilt er das Schicksal mit dem Niederländer Bert van Marwijk.

Insgesamt war es keine EURO der ehemaligen großen Fußballnationen. England, Frankreich, Niederlande – keiner zog ins Halbfinale ein, zwei Trainer wurden verschlissen. Auch Deutschland konnte den Titeltraum nicht bis zum Erwachen genießen.

 

(Text: Jerome Kirschbaum / Foto: Benjamin Radzun, flickr.com)

Jerome K.

Jerome schreibt am liebsten über Sport, wenn er denn nicht selbst auf einem Platz steht. Seit Oktober 2010 verdingt sich Jerome als Schreiberling für back view, neben den Leibesübungen widmet er sich sich auch politischen Themen. Im wahren Leben musste Jerome zahlreiche Semester auf Lehramt studieren, um dann schlussendlich doch etwas ganz anderes zu werden.

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