Fußball

Als Spaniens Sehnsucht schwand

Seit drei Wochen ist Spanien nun Weltmeister. Zum ersten Mal. Über viele Jahre hinweg war dies undenkbar. Obwohl stets ausgezeichnete Fußballer in den Reihen der Spanier standen, scheiterten sie meist spätestens im Viertelfinale. Mal an den eigenen Nerven, am Unglück oder an Südkorea.

[divide]

Jetzt aber sind sie zugleich Welt- und Europameister, was zuvor nur Deutschland und Frankreich gelang. Der erste Stern auf den spanischen Trikots lässt die Enttäuschung über die vorherigen Endrunden schnell vergessen. War das relativ frühe Ausscheiden vor 2008 über viele Jahre eine Konstante, so ist die Malaise nun überwunden. Haben die ungeschriebenen Fußballgesetze damit generell ihre Gültigkeit verloren?

Beispiel Deutschland. Im Achtel- und Viertelfinale verzauberten Özil, Müller und Co. die Fußballwelt wie es sonst nur den Brasilianern in ihren besten Zeiten gelang. Ausgerechnet die Deutschen, denen man sonst nachsagte, sich mehr schlecht als recht durch ein Turnier zu mogeln.

Wohin soll das noch führen? Wird England nun unschlagbar im Elfmeterschießen? Oder holt eine afrikanische, asiatische, nordamerikanische Mannschaft bald den WM-Titel? Lässt Otto Rehhagel in Zukunft berauschenden Offensivfußball spielen? Zumindest der Rehakles hat vorerst ausgetanzt. König Ottos Zeit bei den Hellenen ist nach neun erfolgreichen Jahren beendet.

Die Dominanz der Spanier jedoch könnte andauern. Zu sicher ist ihr Kombinationsspiel, zu druckvoll ihre Defensivarbeit, die bereits weit in der Hälfte des Gegners beginnt. Zudem kann der Kern der Truppe womöglich weitere Jahre auf hohem Niveau spielen. Vieles spricht für das Team um Casillas, Villa, Iniesta und Xavi.

Müssen wir uns also zukünftig langweilen, so wie uns Neuseeland gegen die Slowakei gelangweilt hat? Viele Partien gab es ohnehin nicht, die den Funken überspringen ließen. Tiefstehende Abwehrreihen prägten das Bild, an denen sich selbst Hochkaräter wie Argentiniens Lionel Messi schwer taten.

Der kleine Dribbler blieb ohne Torerfolg. Dass seine Zeit bei einer WM noch kommen wird, ist eine beliebte Floskel. Genauso wie die Ansicht, dass der deutschen Elf eine glorreiche Zukunft bevorsteht. Doch wer sagt das? Nur weil heuer einige begeisternde Begegnungen geliefert wurden, die Mannschaft die jüngste seit Ewigkeiten war und der Trainerstab kollektiv am Ruder bleibt, bringt dies noch keine Garantie auf einen Titel mit sich.

Es mögen gute Voraussetzungen vorliegen, ja, doch hängen eine Vielzahl von Faktoren mit dem Erfolg zusammen. Genau deswegen braucht man auch kein spanisches Abonnement auf Rang eins zu befürchten. Der Fußball bietet noch immer unberechenbare Situationen. Schließlich gibt es weiterhin Schiedsrichter, die Szenen falsch beurteilen. Bälle, die flattern wie sonst nur Nerven beim Elfmeter. Und sogar Spanier, die nicht in Form sind. Fernando Torres gehörte dieser Spezies an. Doch auch auf seinem Dress prangt nun der Stern des Weltmeisters – und die Sehnsucht einer ganzen Nation hat ein Ende.

(Text: Tobias Wieland)

back view

Das Magazin back view wurde am 6. April 2007 gegründet. Seit mehr als acht Jahren schreiben wir nun schon für euch und kommentieren euch die Welt. Danke für euer Interesse an unseren Artikeln. ;)

Schreibe einen Kommentar